Ein Ganz Besonderer Fall
selbst wollte dringend etwas erfahren.
»Oh, er ist zu sich gekommen«, sagte der Pförtner, »und er ist Gott sei Dank wieder Herr seiner Sinne wie eh und je. Er will bald in seine eigene Zelle im Dormitorium zurück und meint, er könne alle seine Pflichten hier noch eine Weile erfüllen, aber man will ihn noch im Krankenquartier behalten. Er ist bei Bewußtsein und anscheinend recht eigensinnig. Wenn Ihr ihm etwas Wichtiges mitzuteilen habt, dann würde ich auf jeden Fall zum Krankenquartier gehen und fragen, ob sie Euch zu ihm lassen.«
›Sie‹, das waren Bruder Edmund und Bruder Cadfael, die in allem, was das Krankenquartier betraf, das letzte Wort hatten.
»Wartet hier!« sagte Hugh. Er sprang aus dem Sattel und schritt über den Hof zur Nordwestecke, wo das Krankenquartier etwas zurückgezogen in einem Winkel der Enklave stand. Die beiden Offiziere stiegen ebenfalls ab und hielten sich aufmerksam in der Nähe ihres Gefangenen; doch es schien, als wollte Adam sich allem stellen, was man ihm vorhalten konnte, denn er blieb noch einige Augenblicke ruhig auf seinem Pferd sitzen. Dann sprang er herab und reichte die Zügel dem Burschen, der schon Hughs Pferd übernommen hatte. Sie warteten schweigend, und Adam nutzte die Gelegenheit, um interessiert die Gebäude zu mustern, die den Hof umgaben.
Hugh traf Bruder Edmund in der Tür des Krankenquartiers, als dieser gerade herauskam, und stellte ihm unvermittelt seine Frage. »Ich hörte, daß Ihr Bruder Humilis im Krankenquartier habt. Kann er Besucher empfangen? Ich habe den vermißten Mann unter Bewachung hergebracht, und mit Glück können wir etwas aus ihm herausbekommen, bevor er Zeit hat, sich eine passende Geschichte zu überlegen.«
Edmund blinzelte ihn einen Moment an, denn es fiel ihm schwer, einen seiner Schützlinge jemand anderem zu überlassen. Dann, nach einigem Zögern, sagte er: »Er wird mit jedem Tag schwächer, aber er ist gut ausgeruht und macht sich wegen des Mädchens Sorgen, weil er glaubt, sie sei durch sein Verhalten in Gefahr gekommen. Sein Geist ist wach und sehr entschlossen. Ich glaube, daß er Euch bestimmt sehen will.
Cadfael ist gerade bei ihm - die frisch verheilte Wunde ist durch den Sturz wieder aufgebrochen, aber sie ist sauber. Ja, geht nur zu ihm hinein.« Mit dem Gesicht, nicht mit Worten, fügte er hinzu: Wer weiß, wieviel Zeit er noch hat? Eine gute Nachricht könnte seine Zeit verlängern.
Hugh kehrte zu seinen Männern zurück. »Kommt, wir dürfen hinein.« Und zu den beiden Offizieren sagte er: »Wartet draußen vor der Tür.«
Er hörte Cadfaels vertraute Stimme, sobald er, den gehorsam folgenden Adam dicht hinter sich, das Krankenquartier betrat.
Bruder Humilis war nicht im großen Krankensaal untergebracht, sondern in einer kleinen, stillen Zelle, die etwas abseits lag. Die Tür stand offen. Das Mobiliar bestand nur aus einer Liege, einem Hocker und einem kleinen Tisch, auf dem Bücher oder Kerzen abgestellt werden konnten. Durch die weit geöffnete Tür und ein kleines, offenes Fenster drangen Luft und Licht ins Zimmer. Bruder Fidelis kniete neben dem Bett und stützte den Kranken mit dem Arm, während Cadfael die Bandagen an der Hüfte und im Schritt erneuerte, wo das zarte neue Narbengewebe beim Sturz aufgeplatzt war. Sie hatten ihn ganz ausgezogen, und die Decke war zurückgeschlagen, doch Cadfaels breiter Körper versperrte den Blick aufs Bett, und als Fidelis die näherkommenden Schritte hörte, zog er dem Patienten rasch die Decke bis zur Hüfte hoch. Der große Körper war so ausgemergelt, daß Fidelis ihn mühelos mit einem Arm anheben konnte. Doch das hagere Gesicht war klar und entschlossen wie immer, und die tiefliegenden Augen strahlten hell. Er überließ sich mit müdem, geduldigem Lächeln der Behandlung, als sei es eine Pflichtübung. Es war der Junge, der sich eilig bemühte, den zerstörten Körper vor den Augen der Außenstehenden zu verbergen. Nachdem er die Decke hochgezogen hatte, drehte er sich um und schüttelte das saubere Leinenhemd aus, das neben dem Bett bereitlag. Er zog es Humilis über den Kopf und half ihm mit geübten Bewegungen, die schmalen Arme durch die Ärmel zu stecken.
Dann hob er ihn an, um unter ihm die Falten zu glätten. Erst als dies getan war, drehte er sich um und blickte zur Tür.
Hugh war bekannt und akzeptiert, sogar willkommen. Humilis und Fidelis blickten jedoch an ihm vorbei, um zu sehen, wer ihm folgte.
Der Fremde hinter Hugh sah rasch von einem
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