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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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ich fing den fragenden Blick auf, den mir Will zuwarf.
    «Haben Sie Klaustrophobie?»
    «So was in der Art.» Ich begann unsere Sachen zusammenzuräumen. «Gehen wir einfach wieder nach Hause.»

    Am darauffolgenden Wochenende ging ich mitten in der Nacht in die Küche hinunter, um mir ein Glas Wasser zu holen. Ich konnte nicht richtig schlafen und hatte gedacht, es wäre möglicherweise besser, ein bisschen aufzustehen, als im Bett zu liegen und zu versuchen, gegen meine sinnlos kreisenden Gedanken zu kämpfen.
    Ich war nachts nicht gerne wach. Dann musste ich automatisch darüber nachdenken, ob Will auf der anderen Seite der Burg auch wach war, und meine Phantasie versuchte, in seine Gedankenwelt einzudringen. Allerdings war das eine sehr dunkle Zone.
    Und die Wahrheit lautete: Ich würde nirgendwo mit ihm hinfahren. Die Zeit wurde knapp. Ich schaffte es nicht einmal, ihn zu einer Reise nach Paris zu überreden. Und als er mir erklärt hatte, warum er nicht wollte, konnte ich kaum etwas dagegen einwenden. Er hatte für jede längere Fahrt, die ich ihm vorschlug, einen guten Grund zur Ablehnung. Und wenn ich ihm nicht sagen wollte, warum ich so dringend auf diese Reise aus war, konnte ich praktisch keinerlei zwingende Argumente vorbringen.
    Als ich am Wohnzimmer vorbeikam, hörte ich es – ein unterdrücktes Husten oder vielleicht auch ein Ausruf. Ich blieb stehen, ging einen Schritt zurück, stellte mich an die Tür und drückte sie sachte auf. Auf dem Wohnzimmerfußboden lagen meine Eltern, mit den Sofakissen als notdürftigem Bett, die Gästesteppdecke über sich und die Köpfe in Höhe der Gasflamme des Ofens. Wir starrten uns einen Moment lang im Halbdunkel an.
    «Was … macht ihr hier?»
    Meine Mutter schob sich auf die Ellbogen hoch. «Sch. Sprich leise. Wir …» Sie sah meinen Vater an. «Wir wollten tauschen.»
    «Was?»
    «Wir wollten tauschen.» Meine Mutter schaute hilfesuchend zu meinem Vater.
    «Wir haben Treena unser Bett gegeben», sagte Dad. Er trug ein altes blaues T-Shirt mit einem Riss an der Schulter, und sein Haar stand an der einen Seite von seinem Kopf ab. «Thomas und sie haben sich in der Abstellkammer nicht wohl gefühlt. Also haben wir gesagt, sie können unser Zimmer haben.»
    «Aber ihr könnt doch nicht hier unten schlafen! Das kann doch nicht bequem sein.»
    «Es ist bestens, Liebes», sagte Dad. «Wirklich.»
    Und dann, als ich noch ganz verwirrt dastand und überlegte, was ich davon halten sollte, fügte er hinzu: «Es ist ja nur für die Wochenenden. Und du kannst nicht in der Abstellkammer schlafen. Du brauchst deinen Schlaf. Schließlich bist du …» Er schluckte. «Schließlich bist du die Einzige von uns, die arbeiten geht.»
    Mein Vater, der große Kerl, wich meinem Blick aus.
    «Geh wieder ins Bett, Lou. Geh schon. Wir kommen sehr gut zurecht.» Mum schickte mich praktisch weg.
    Ich ging wieder die Treppe hinauf, meine nackten Füße verursachten keinerlei Geräusch auf dem Teppich, nur von unten klang leises Gemurmel nach oben.
    Ich zögerte vor Mums und Dads Schlafzimmer. Jetzt hörte ich, was ich vorher nicht wahrgenommen hatte – Thomas’ leises Schnarchen. Dann ging ich hinüber zu meinem eigenen Zimmer und zog leise die Tür hinter mir zu. Ich legte mich in mein übergroßes Bett und starrte aus dem Fenster auf die milchige Straßenbeleuchtung, bis ich endlich doch noch ein paar Stunden Schlaf fand.

    Auf meinem Kalender waren noch neunundsiebzig Tage übrig. Ich wurde immer unruhiger.
    Und ich war nicht die Einzige.
    Mrs. Traynor hatte gewartet, bis Nathan mittags gekommen war und sich um Will kümmerte. Dann bat sie mich ins Haupthaus hinüber. Wir setzten uns ins Wohnzimmer, und sie fragte mich, wie es lief.
    «Na ja, wir machen viel mehr Ausflüge als am Anfang», sagte ich.
    Sie nickte zustimmend.
    «Er redet mehr als vorher.»
    «Mit Ihnen vielleicht.» Sie lachte kurz auf, aber in Wahrheit war es kein Lachen. «Haben Sie mit ihm darüber gesprochen, eine Reise zu machen?»
    «Noch nicht. Ich mache es noch. Es ist einfach … Sie wissen ja, wie er ist.»
    «Ich habe wirklich nichts dagegen», sagte sie, «wenn Sie mit ihm wegfahren. Ich weiß, dass wir nicht gerade begeistert waren, als Sie mit diesem Vorschlag kamen, aber mein Mann und ich haben inzwischen viel geredet, und wir finden beide …»
    Schweigend saßen wir beieinander. Sie hatte mir einen Kaffee in eine Tasse mit Untertasse eingeschenkt. Ich nippte daran. Ich komme mir immer uralt vor,

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