Ein ganzes halbes Jahr
angestellte weibliche Pflegekraft Miss Louisa Clark ist. Angesichts der eingeschränkten Dauer ihrer Verbindung mit Mr. Traynor könnten Fragen zu dem Ausmaß seiner Großzügigkeit ihr gegenüber aufkommen, doch alle Parteien haben bekundet, die erklärten Wünsche Mr. Traynors, die rechtlich gültig festgehalten sind, nicht anfechten zu wollen. Miss Clark wurde mehrere Male ausführlich befragt, und die Polizei ist davon überzeugt, dass sie jede Anstrengung unternommen hat, um Mr. Traynor von seinem Vorhaben abzubringen (siehe ihren ‹Kalender der Abenteuer› unter den Beweismitteln).
Es sollte auch festgehalten werden, dass Mrs. Camilla Traynor, seine Mutter, die seit Jahren als Richterin im Staatsdienst ist, angesichts des breiten öffentlichen Interesses, das diesen Fall begleitet, einen Amtsverzicht angeboten hat. Wie man hört, haben sie und Mr. Traynor sich kurz nach dem Tod ihres Sohnes getrennt.
Obwohl Sterbehilfe an ausländischen Kliniken von der Staatsanwaltschaft keineswegs begrüßt wird, hat sich erwiesen, dass die Handlungen von Mr. Traynors Familienmitgliedern und seiner Pflegekräfte nach dem vorliegenden Beweismaterial keinen Verstoß gegen die derzeitig gültigen Richtlinien zur Sterbehilfe darstellen beziehungsweise keinen Tatbestand erfüllen, der zur Strafverfolgung von Personen aus dem Umfeld des Verstorbenen führt.
Mr. Traynor wurde als geschäftsfähig erachtet und hatte den «freiwilligen, eindeutigen, entschiedenen und sachkundig fundierten» Wunsch, diese Entscheidung zu treffen.
Es gibt keinerlei Hinweise auf eine geistige Erkrankung oder Nötigung von anderer Seite.
Mr. Traynor hatte zweifelsfrei geäußert, dass er Selbstmord begehen will.
Mr. Traynors Behinderung war schwer und unheilbar.
Das Handeln derjenigen, die Mr. Traynor begleitet haben, kann als widerwillige Unterstützung angesichts des entschiedenen Wunsches auf der Seite des Opfers angesehen werden.
Alle Beteiligten haben der Polizei jede Unterstützung bei der Untersuchung dieses Falles angeboten.
Angesichts der oben beschriebenen Tatsachen, des guten Willens aller Beteiligten und der beigefügten Beweismittel komme ich zu dem Schluss, dass es dem öffentlichen Interesse nicht dient, in diesem Fall eine Anklage zu erheben.
Ich empfehle, sofern eine öffentliche Verlautbarung geplant ist, eine Klarstellung durch den Generalstaatsanwalt dahingehend, dass der Fall Traynor keinen irgendwie gearteten Präzedenzfall darstellt, sondern die Staatsanwaltschaft weiterhin jeden einzelnen Fall nach seinen spezifischen Umständen beurteilen wird.
Mit besten Empfehlungen
Sheilagh Mackinnon
Staatsanwaltschaft
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Epilog
I ch folgte einfach nur den Anweisungen.
Ich saß vor dem Café im Schatten der dunkelgrünen Markise und schaute die Rue des Francs Bourgeois hinunter, während die sanfte Pariser Herbstsonne mir eine Wange wärmte. Vor mir standen, von dem Kellner mit gallischer Betriebsamkeit serviert, ein Teller mit Croissants und eine große Tasse Kaffee. Hundert Meter die Straße hinunter blieben zwei Radfahrer an einer Ampel stehen und fingen ein Gespräch an. Einer trug einen blauen Rucksack, aus dem in merkwürdigen Winkeln zwei lange Baguettestangen herausragten. In der schwülen, stehenden Luft hing der Duft nach Kaffee und Gebäck, und von irgendwo wehte scharfer Zigarettenrauch heran.
Ich las Treenas Brief zu Ende (sie hätte angerufen, sagte sie, aber Auslandsgespräche waren ihr zu teuer). Sie hatte in Rechnungswesen II das Semester als Beste abgeschlossen, und sie hatte einen neuen Freund, Sundeep, der gerade dabei war zu entscheiden, ob er in das Import-Export-Geschäft seines Vaters in der Nähe von Heathrow einsteigen sollte, und einen noch schlechteren Musikgeschmack hatte als Treena. Thomas war restlos begeistert, weil er in die nächste Klasse kam. Bei Dads Arbeit lief es immer noch wie geschmiert, und er schickte mir Grüße. Treena war überzeugt, dass mir Mum bald verzeihen würde. Sie hat deinen Brief bekommen , schrieb sie. Und ich weiß, dass sie ihn gelesen hat. Lass ihr Zeit.
Ich nippte an meinem Kaffee, fühlte mich kurz in die Renfrew Road zurückversetzt, in ein Zuhause, das mir jetzt endlos weit weg erschien.
Dann blinzelte ich ein bisschen gegen die niedrig stehende Sonne und sah eine Frau, die in der Spiegelung einer Schaufensterscheibe ihre Sonnenbrille zurechtrückte. Sie spitzte die Lippen vor ihrem Spiegelbild, richtete sich ein bisschen gerader
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