Ein ganzes halbes Jahr
ein Paar Ringelstrumpfhosen, die ich geliebt habe! Ich glaube, man muss sich bis zu einem gewissen Grad mit allen Romanfiguren identifizieren, sonst kommen sie nicht glaubwürdig rüber. Ich identifiziere mich auch ein bisschen mit Camilla. Als Mutter kann ich mir die Entscheidung, vor der sie stand, überhaupt nicht vorstellen, und ich finde es sehr nachvollziehbar, dass eine Frau in dieser Situation emotional dichtmacht.
3. Warum haben Sie «Ein ganzes halbes Jahr» in einer kleinen, geschichtsträchtigen Stadt mit einer Burg im Zentrum spielen lassen?
Ich habe für dieses Buch alle möglichen Umgebungen ausprobiert. Ich bin durch ganz Schottland gefahren, um eine Burg und ein Städtchen zu finden, das ‹passt›. Es war mir wichtig, dass Lou aus einer Kleinstadt und nicht aus einer Großstadt kommt, denn ich lebe selbst in einer Kleinstadt und bin fasziniert davon, dass so aufzuwachsen zugleich sehr behaglich und unglaublich erdrückend sein kann. Eine Burg wollte ich, weil sie das deutlichste Symbol für altes Geld ist. Großbritannien ist immer noch unglaublich engstirnig, was das Klassendenken angeht, und das fällt uns erst auf, wenn wir woanders sind, wo es das so nicht gibt, zum Beispiel in den USA oder Australien. Ich habe den Klassenunterschied zwischen Will und Lou gebraucht, um das Verhältnis klar beschreiben zu können.
4. In «Ein ganzes halbes Jahr» behandeln Sie ein sehr sensibles Thema – das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. Fanden Sie es schwierig, darüber zu schreiben? Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?
Vor ein paar Jahren habe ich von Daniel James’ Schicksal gehört, einem jungen Rugby-Spieler, der gelähmt war und seine Eltern überredete, ihn zu Dignitas zu bringen. Am Anfang war ich einfach nur entsetzt – welche Mutter konnte so etwas nur tun? –, aber je mehr ich darüber las, desto klarer wurde mir, dass man bei solchen Themen nicht einfach von Richtig oder Falsch sprechen kann. Wer hat das Recht, für einen anderen zu definieren, was Lebensqualität ist? Wie verhält man sich, wenn man ein Leben leben muss, das nichts mehr mit dem zu tun hat, was man sich ausgesucht hätte? Wie reagiert man als Eltern, wenn das eigene Kind wirklich zum Sterben entschlossen ist? Und das Leben als Tetraplegiker heißt eben nicht nur im Rollstuhl sitzen – es ist ein niemals endender Kampf gegen Schmerzen und Infektionen und psychische Tiefs. Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Und ich glaube, dass man das Buch schreiben muss, das in einem brennt, auch wenn es keines ist, das auf den ersten Blick sonderlich gut verkäuflich wirkt.
Ich habe «Ein ganzes halbes Jahr» deshalb tatsächlich ohne Verlagsvertrag geschrieben – und war angesichts des kontroversen Themas auch nicht überzeugt, dafür einen Verlag finden zu können. Es war einfach ein Buch, das ich schreiben musste. Und es nur für mich zu tun, war merkwürdig befreiend. Als es fertig war, haben mir aber glücklicherweise mehrere Verlage Angebote gemacht, und ich bin sehr froh, dass ich bei Penguin gelandet bin.
5. Gab es Reaktionen von Betroffenen, die das Buch gelesen haben?
Ich habe überwältigend viele E-Mails und Briefe von Tetraplegikern, ihren Verwandten und Betreuern erhalten. Fast ausnahmslos hat ihnen das Buch sehr gefallen. Viele von ihnen schreiben, dass es zeigt, womit sie täglich umgehen müssen – den Schwierigkeiten, von einem Ort zum anderen zu gelangen, der Art, wie sich die Leute ihnen gegenüber verhalten. Aber am meisten hat sie gefreut, dass jemand mit einer schweren Behinderung als vielschichtig gezeigt wird, als Mensch, der nicht weniger sexy ist als andere und an dem die Behinderung im Grunde das Uninteressanteste ist.
Die anderen zwei E-Mails, über die ich mich besonders gefreut habe, kamen von Geistlichen, die schrieben, sie hätten sehr entschiedene Ansichten zum Recht auf Sterben gehabt, aber der Roman habe sie dazu gebracht, diese noch einmal zu überdenken. Ich finde den Gedanken wundervoll, dass mein Buch das ausgelöst hat.
6. Ihre Bücher kreisen immer um eine unglaublich berührende Liebesgeschichte. Was hat dieses sehr emotionale Thema an sich, dass Sie darüber schreiben wollten?
Keine Ahnung! Im echten Leben bin ich nicht einmal besonders romantisch. Ich glaube, Liebe ist die Sache, die uns zu den außergewöhnlichsten Dingen treibt – das Gefühl, das uns nach ganz oben und nach ganz unten bringt oder uns am stärksten verändert –, und über extreme
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