Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
eine Rockband, seine Songs wurden sehr beliebt und die Band tourte durch die ganze Welt. Ich fragte ihn, wie er es bei seiner Schüchternheit schaffe, vor Zehntausenden von Leuten aufzutreten. Er antwortete: »Meine Musik beschützt mich.« Aber wenn sie vorbei ist, muss er so schnell wie möglich die Bühne verlassen.
AUS DEM LEBEN
Das Betrachten klarer Linien entspannt
In ihrer Autobiografie erklärt Liane Holliday Willey, wie eines ihrer Interessen ihr als Quelle der Entspannung dient:
»Bis heute ist Architektur eines meiner Lieblingsthemen und heute, wo ich älter bin, kann ich mein Interesse genießen und mich ganz dieser Freude, die es mir gibt, hingeben. Es ist in vielerlei Hinsicht das perfekte Elixier für mich gegen alle Schwierigkeiten, die mir begegnen. Wenn ich mich verwirrt oder angespannt fühle, dann hole ich meine Bücher zur Geschichte der Architektur und zum Design hervor und schaue auf Räume und Schauplätze, die für mich Sinn ergeben; die geraden, langen Linien und die flachen Gebäude malen Bilder eines starken Gleichgewichts. Wenn mir zu viele praktische Fehler und misslungene Gespräche das Leben schwer machen, dann entwerfe ich ein Haus, dass ich voll und ganz verstehe.« 29
Nach Zusammenhängen suchen
Die Routinen, die das Alltagsleben bestimmen und Teil des Spezialinteresses sein können, garantieren eine höhere Vorhersagbarkeit und Sicherheit im Leben. Die Person entwickelt ein Katalogisierungs- oder Ordnungssystem, das auf Logik und Symmetrie beruht und so tröstend und beruhigend wirkt.
Theorie der »schwachen zentralen Kohärenz«
Eine von Uta Frith und Francesca Happé 30 entwickelte psychologische Theorie kann dabei helfen, einige Aspekte der Spezialinteressen und der Dominanz von Ritualen und Routinen zu erklären. Dieser Theorie zufolge haben Menschen mit Asperger-Syndrom ein anderes System der Informationsverarbeitung.
Sie konzentrieren sich eher auf die Details in ihrer Umgebung und weniger auf das Gesamtbild und sie verlieren sich auch schnell in diesen Details.
Die Person erkennt dann den Kontext oft nicht und hat eine schwache zentrale Kohärenz, ein Begriff, der von Frith und Happé geprägt wurde (in Kapitel 9 wird das Konzept der schwachen zentralen Kohärenz ausführlicher erläutert). Die Spezialinteressen können als Versuch verstanden werden, einen Zusammenhang – ein Gesamtbild – herzustellen.
Ordnung in das Chaos bringen
Wenn man eine Taxonomie für sein Interesse entdeckt, zum Beispiel die verschiedenen Klassifikationen für Insekten oder das Periodensystem für die chemischen Elemente, oder wenn man ein Katalogisierungssystem selbst entwickelt, kann man damit eine sehr befriedigende Nachvollziehbarkeit und Vorhersagbarkeit erreichen. Die Interessen können also dazu dienen, Ordnung in das scheinbare Chaos zu bringen. Auch ein Interesse an Zügen kann als eine solche Faszination für Ordnung angesehen werden: Die Wagen sind in einer bestimmten Reihenfolge aneinandergereiht. Außerdem stehen die Züge auch für Vorhersagbarkeit: Der Zug folgt stets den Schienen. Ein Interesse an Symmetrie und Mustern kann eine Rolle spielen, wenn die parallelen Schienen, die Schwellen oder die Kupplungen betrachtet werden.
Gesetze oder religiöse Regeln
Für Jugendliche und Erwachsene kann die Suche nach den Mustern und Regeln im Leben neben der Begeisterungfür die Wissenschaft, auch zur intensiven Beschäftigung mit juristischen oder religiösen Regeln führen. Das ermöglicht eine juristische Karriere oder führt zu religiösem Interesse, wobei die Bibel oder die Weltreligionen studiert werden. Dadurch kann derjenige Zugang zu einer Gruppe von Gleichgesinnten bekommen, mit denen er dieselben Überzeugungen und Werte teilt. Allerdings sollte man darauf achten, dass die soziale Verletzlichkeit eines solchen Menschen dazu führen kann, dass er von extremen Organisationen rekrutiert wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn das Spezialinteresse Politik ist, mit einem Hang zum Schwarz-Weiß-Denken.
AUS DEM LEBEN
Etwas sammeln gibt Sicherheit
Luke Jackson schrieb:
»Ich würde sagen, dass das Sammeln von Dingen ein ziemlich harmloses Verfahren ist, um sich sicher fühlen zu können, und dass man niemanden davon abhalten sollte. Etwas zu ordnen ist eine wunderbare Methode, um das Gefühl des Chaos loszuwerden, das sich aus dem Leben in einer derart unorganisierten Welt ergibt.« 31
Die physische Welt verstehen
Die Person mit Asperger-Syndrom hat von Natur aus eher Zugang
Weitere Kostenlose Bücher