Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
dessen Arbeit als Reinigungskraft in einem Büro half. Der Vater bat ihn, alle Mülleimer zu leeren. Etwas später erkannte der Vater verärgert, dass noch nicht alle Mülleimer geleert waren. Der Sohn aber antwortete: »Die anderen sind keine Mülleimer, das sind Papierkörbe.«
Die Wortwahl von Kindern mit Asperger-Syndrom kann besonders formell sein. So sprach etwa ein fünfjähriges Mädchen immer von seiner »Mutter«, statt »Mami« oder »Mutti« zu sagen. Oder das Kind spricht eine Bekannte als »Hallo, Frau Maria Schmidt an, statt »Hallo, Maria« zu sagen.
Die Sprache des Kindes ähnelt eher der Erwachsener, da sie meist durch das Nachahmen von Erwachsenen geprägt wird, nicht durch den Kontakt mit Gleichaltrigen. Zum Beispiel kann es auch den Akzent der Mutter beibehalten, statt den der gleichaltrigen Kinder der Umgebung anzunehmen. 35 Es behält oft die Aussprache eines Wortes in der Form bei, wie es das das erste Mal von einer bestimmten Person gehört hat. Ein erfahrener Zuhörer kann dabei heraushören, wessen Akzent das Kind dabei nachahmt.
AUS DEM LEBEN
Ungenaue Aussagen sind quälend
Therese Jolliffe schrieb dazu:
»Das Leben ist so ein harter Kampf. Unentschiedenheit bei Dingen, die anderen Menschen banal erscheinen, führt zu starkem inneren Leiden. Wenn zu Hause etwa jemand sagt: »Vielleicht gehen wir morgen einkaufen« oder »Wir werden sehen, was passiert«, dann ist ihm offenbar nicht bewusst, wie sehr ich darunter leide und dass ich mir dann ständig das Hirn zermartere, was wohl passieren und was nicht passieren wird. Diese Unsicherheit in Bezug auf Ereignisse wird dann auch zu einer Unsicherheit in Bezug auf Dinge, die für mich an einen bestimmten Ort gehören sowie zu einer Unsicherheit darüber, was die anderen von mir erwarten.« 36
Vermeiden Sie eine vage Ausdrucksweise
Ein weiteres Merkmal der pedantischen Sprache ist es, dass Verallgemeinerungen und ein Mangel an Präzision selten toleriert werden. Familienmitglieder wissen das und vermeiden Begriffe wie »vielleicht«, »manchmal« oder »später«.
Wenn das Kind ängstlich ist, kann es ganz besonders pedantisch werden und bombardiert Sie geradezu mit Fragen, weil es ganz genau wissen will, wann was passiert. Es kommt vor, dass die Eltern – um Doppeldeutigkeiten zu vermeiden und die Angstgefühle des Kindes zu verringern – dann genauso pedantisch werden wie das Kind.
Auditive Beeinträchtigungen
In ihren Autobiografien schildern Menschen mit Asperger-Syndrom, wie schwierig es für sie ist, sich auf die Stimme einer einzelnen Person zu konzentrieren, wenn mehrere Menschen gleichzeitig sprechen, oder dass sie die Stimme anderer verzerrt wahrnehmen. Dazu das Beispiel eines Jungen, der in einem Klassenzimmer mit zwei Klassen unterrichtet wurde. Die Lehrerin seiner Klasse hatte den Kindern einen Mathematiktest aufgegeben, während der Lehrer der anderen Klasse seinen Kindern einen Rechtschreibtest diktierte. Als die Lehrerin seine Aufgaben korrigierte, stellte sie fest, dass er die Antworten zu beiden Aufgaben geschrieben hatte.
Candy beschreibt, dass »viele Stimmen dafür sorgen, dass man das Gesagte nur schwer versteht.« Forschungsergebnisse bestätigen, dass Menschen mit Asperger-Syndrom erhebliche Probleme damit haben, das Gesagte bei gleichzeitigen Hintergrundgeräuschen zu verstehen 37 und es ihnen schwerfällt, akustische Informationen wahrzunehmen, zu unterscheiden und zu verarbeiten. 38
Die meisten Menschen nutzen Augenblicke mit niedrigem Geräuschpegel, um den Kern einer Unterhaltung zu erfassen und füllen dabei die Lücken aus, um zu verstehen, was jemand sagt. Menschen mit Asperger-Syndrom können das nicht so gut.
Das sollten Eltern und vor allem Lehrer wissen. Um die akustische Wahrnehmung zu verbessern, sollten Sie die Hintergrundgeräusche möglichst auf ein Minimum reduzieren. Das Kind sollte möglichst nah beim Lehrer sitzen, damit es ihn gut versteht.
Wenn solche Probleme auftauchen, die als eine Art selektive Taubheit erscheinen, sollte ein Logopäde oder Audiologe die Fähigkeiten des Kindes zur Verarbeitung akustischer Informationen prüfen. Nicht die Ohren oder das Gehör sind beeinträchtigt, sondern die Art, wie das Gehirn das Gehörte verarbeitet.
Ermutigen Sie das Kind nachzufragen, wenn es etwas nicht vollständig verstanden hat, obwohl es das nur ungern tun wird, um nicht für dumm oder nervend gehalten zu werden. Wenn Sie sichergehen wollen, dass es Ihre Anweisung verstanden hat,
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