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Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Attwood
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Kinder eher angenehm sind. Ein solches Kind wird übervorsichtig, verkrampft und schnell ablenkbar in einer Umgebung mit starken sensorischen Reizen wie dem Klassenzimmer. Es weiß nie, wann die nächste schmerzvolle sensorische Erfahrung eintritt. Daher wird es bestimmte Situationen von vornherein vermeiden, etwa Schulflure, Spielplätze, volle Einkaufszentren und Supermärkte.
    AUS DEM LEBEN
    Unerträglicher Widerhall in den Schulfluren
    Clare Sainsbury erklärt, welche Auswirkungen die sensorischen Probleme in der Schule haben:
    »Die Flure der meisten Schulen sind ein ständiges Durcheinander von lauten Echos, fluoreszierendem Licht (für Menschen aus dem autistischen Spektrum eine häufige Quelle von visuellem und akustischem Stress), Klingeln, Menschen, die sich anrempeln, dem Geruch von Reinigungsmitteln und vielem mehr. Für einen Menschen aus dem autistischen Spektrum und der entsprechenden sensorischen Überempfindlichkeit bzw. den Verarbeitungsproblemen wirkt sich das so aus, dass er sich den ganzen Tag gefährlich nahe an einem sensorischen Overload bewegt.« 3
    Diese ängstliche Vorwegnahme von Ereignissen kann so intensiv werden, dass sich eine Angststörung entwickelt, zum Beispiel eine Hundephobie, weil das Kind Angst vor dem plötzlichen Bellen hat, oder eine Agoraphobie, weil es zu Hause sichere und kontrollierte sensorische Erfahrungen macht. Soziale Situationen wie Geburtstagspartys werden nicht nur vermieden, weil man Schwierigkeiten mit den sozialen Regeln hat. Auch der Lärmpegel dort, etwa durch laute Kinder oder plötzlich zerplatzende Luftballons, stellt ein Problem dar.
Diagnosekriterien
    Eine sensorische Überempfindlichkeit kann schon bei Kleinkindern identifiziert werden, die später auch andere Symptome des Asperger-Syndroms entwickeln. 4 Bestimmte Aspekte der Sensorik können daher auch in Früherkennungsuntersuchungen eingebaut werden. Die Überempfindlichkeit zeigt sich dabei oft besonders deutlich bei Kleinkindern und geht dann langsam zurück. Bei einigen Erwachsenen bleibt sie aber auch ein Leben lang bestehen. 5
    Zu den heutigen Screening-Verfahren für das Asperger-Syndrom (siehe Kapitel 1) gehören Fragen zur sensorischen Überempfindlichkeit, da man mit einem ungewöhnlichen Muster sensorischer Überempfindlichkeit zwischen Kindern mit Asperger-Syndrom und normalen Kindern unterscheiden kann. 6 Sensorische Überempfindlichkeit ist ein Merkmal für schweren Autismus. Daher beinhaltet das Autism Diagnostic Interview – Revised (ADI-R) 7 eine Reihe von Fragen an Eltern, ob ihr Kind jemals überempfindlich gegenüber Geräuschen war oder ungewöhnliche Reaktionen auf Geschmacksempfindungen, Gerüche oder Berührungen gezeigt hat.
    Gegenwärtig gibt es kein Gegenstück zum ADI-R für das Asperger-Syndrom, doch viele Fachkräfte berücksichtigen bei der diagnostischen Einschätzung auch alle Informationen zu sensorischen Überempfindlichkeiten. Eine ungewöhnliche sensorische Wahrnehmung in der Vergangenheit kann ein Hinweis auf das Asperger-Syndrom sein. Allerdings sind ungewöhnliche sensorische Wahrnehmungen in keiner der vier Diagnosekriterien für das Asperger-Syndrom enthalten. Künftige Überarbeitungen der Kriterien sollten auch die Sensorik berücksichtigen, zumal gerade dieser Aspekt sich gravierend auf das Alltagsleben auswirken kann.
Untersuchungsmethoden
    Als Untersuchungsrahmen schlagen Bogdashina 8 und Harrison und Hare 9 vor, davon auszugehen, dass beim Asperger-Syndrom folgende sensorische Besonderheiten auftreten könnten:
sowohl Über- als auch Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Wahrnehmungen,
sensorische Verzerrungen,
sensorisches »Abschalten«,
sensorischer Overload,
ungewöhnliche sensorische Verarbeitung,
Probleme bei der Identifizierung des Herkunftskanals einer sensorischen Information.
    Einige dieser Wahrnehmungsbesonderheiten sind sehr unangenehm und führen zu adaptiven oder kompensatorischen Verhaltensweisen. Andere, z. B. das Ticken einer Uhr, werden teilweise als besonders angenehm empfunden, sodass derjenige solche Wahrnehmungen sucht. 10
In jedem Fall wird die sensorische Welt von Menschen mit Asperger-Syndrom anders wahrgenommen als von normalen Menschen.
Beurteilungsverfahren
    Heutzutage haben wir eine Auswahl an verschiedenen Beurteilungsverfahren zur Messung der sensorischen Empfindlichkeit.
Das Sensory Behaviour Schedule, SBS (Fragebogen zum sensorischen Verhalten), ist ein Fragebogen mit 17 Punkten zur kurzen Beschreibung der

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