Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
sensorischen Wahrnehmung und des entsprechenden Verhaltens. 11
Das Sensory Profile (Sensorisches Profil) besteht aus 125 Fragen und misst, inwieweit Kinder zwischen 5 und 11 Jahren Probleme bei der sensorischen Verarbeitung und der sensorischen Modulation zeigen; es erfragt das Verhalten und die emotionalen Reaktionen auf sensorische Wahrnehmungen sowie das Vorhandeinsein und Ausmaß von Über- und Unterempfindlichkeit. 12
Einfacher zu handhaben ist das Short Sensory Profile (kurzes Sensorisches Profil), das Eltern in nur zehn Minuten ausfüllen können. 13
Die Sensory Profile Checklist Revised, SPCR (überarbeitete sensorische Checkliste), ist ein umfassendes Beurteilungsverfahren für Kinder. Die Checkliste enthält 232 Fragen, die von den Eltern beantwortet werden, um die sensorischen Stärken und Schwächen des Kindes zu identifizieren. Damit können auch passende Hilfsmaßnahmen ausgemacht werden. 14
Es wäre hilfreich, wenn das Beurteilungsverfahren auch eine Checkliste der bekannten sensorischen Wahrnehmungen enthielte, die zu Angst und aufgeregtem Verhalten beitragen können. Auch das Umfeld des Kindes in der Schule sollte untersucht werden: Wie werden die schabenden Geräusche der Kreide auf der Tafel, das grelle Licht der Neonröhren, knarrende Stühle und Böden, die Raumtemperatur, Hintergrundgeräusche, Gerüche von Malfarben oder Reinigungsmittel wahrgenommen?
Wenn ich ein Kind mit Asperger-Syndrom untersuche, das einer Umgebung mit vielfältigen Reizen ausgesetzt ist, schließe ich die Augen, höre zu, atme tief durch und versuche, alle Gerüche zu erkennen und die Welt »mit den Augen des Kindes« mit Asperger-Syndrom wahrzunehmen.
Geräuschempfindlichkeit
Zwischen 70 und 85 Prozent der Kinder mit Asperger-Syndrom ist gegenüber bestimmten Geräuschen überempfindlich. 15 Es gibt drei Arten von Geräuschen, die als unangenehm wahrgenommen werden:
Plötzliche, unerwartete Geräusche wie das Bellen von Hunden, das Klingeln des Telefons, das Husten eines Menschen, Feueralarm an der Schule, das Klicken einer Stiftspitze oder knisternde Geräusche.
Besonders hohe, andauernde Geräusche, besonders von elektrischen Motoren in Haushaltsgeräten wie Küchenmaschinen oder Staubsaugern oder der hohe Ton einer Toilettenspülung.
Verwirrende, sich überlagernde Geräusche, etwa in Einkaufszentren oder bei lauten Versammlungen.
AUS DEM LEBEN
Beispiele für unangenehme Geräusche
Zunächst ein Bericht von Temple Grandin:
»Laute, plötzliche Geräusche erschrecken mich immer noch. Meine Reaktion darauf ist dann intensiver als bei anderen Menschen. Ich hasse immer noch Luftballons, weil ich nie weiß, wann einer platzt und mich in Panik versetzt. Andauernde, hohe Motorengeräusche, zum Beispiel von einem Fön und vom Ventilator im Badezimmer, nerven mich noch immer, Motoren mit tieferer Frequenz dagegen nicht.« 16
Darren White beschreibt es so:
»Ich hatte auch Angst vor dem Staubsauger, dem Essens- und dem Getränke-Mixer, weil sie sich für mich fünfmal so laut anhörten, als sie es tatsächlich waren. Der Busmotor sprang mit einem Donnerschlag an, wobei sich der Motor für mich viermal so laut anhörte, und die meiste Zeit der Fahrt hielt ich mir die Ohren zu.« 17
Auch Therese Joliffe beschrieb ihre akustische Überempfindlichkeit:
»Die folgenden Geräusche sind nur eine Auswahl von denen, die mich immer noch so sehr aufregen, dass ich mir die Ohren zuhalten muss, um ihnen zu entgehen: lautes Rufen, laute, überfüllte Orte, das Geräusch bei der Berührung von Styropor, Luftballons, Flugzeuge, laute Baustellenfahrzeuge, Hämmern und Krachen, elektrische Geräte, das Geräusch des Meeres, das Geräusch von Filzschreibern oder Markern sowie Feuerwerk. Trotzdem kann ich mich gut in Musik einfühlen und spiele sie auch selbst, und bestimmte Musikrichtungen mag ich sehr gern. Tatsächlich ist es sogar so, dass Musik das Einzige ist, was mich innerlich beruhigt, wenn mir einmal alles zu viel wird.« 18
Liane Holliday Willey nennt ebenfalls bestimmte Geräusche, die für sie besonders unangenehm sind:
»Hochfrequente sowie metallische, dünne Klänge gingen mir besonders auf die Nerven. Pfeifen, Flöten und Trompeten und alle vergleichbaren Geräusche nehmen mir die Ruhe und sorgen dafür, dass meine Welt nicht sehr einladend ist.« 19
Will Hadcroft schildert, dass ihn bereits die Erwartung bestimmter Geräusche in Angst versetzte:
»Ich war ständig nervös und hatte vor allem und jedem Angst. Ich
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