Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
zeigen sich offenbar nicht beim Schwimmen, Trampolinspringen, Golfspielen und Reiten.
11 Sensorische Empfindlichkeiten
Manchmal blendet das helle Licht, der Staubsaugerlärm ist unerträglich, die Kleidung reibt an der Haut wie Sandpapier – und wenn alles zusammenkommt, möchte man sich am liebsten nur noch verkriechen. Die wichtigste Maßnahme ist natürlich, die entsprechenden Reize so gut wie möglich zu vermeiden. Es gibt auch Therapien, die eine langsame Gewöhnung an die – für viele Menschen völlig normalen – Reize anstreben. Ein Trost könnte sein, dass die Überempfindlichkeit mit dem Erwachsenwerden meist abklingt.
Besondere Über- oder Unempfindlichkeit
»Fast regelmäßig finden sich sehr differenzierte Zu- und Abneigungen auf dem Gebiete des Geschmackssinnes … Etwas Entsprechendes findet sich auf dem Gebiet des Tastsinnes; viele dieser Kinder haben eine bis zu abnormen Graden gehende Abneigung gegen bestimmte Berührungsempfindungen …, sie vertragen nicht die Rauigkeit neuer Hemden, gestopfter Strümpfe … Auch das Wasser beim Waschen ist oft eine Quelle unangenehmer Sensationen und darum Anlass zu Konflikten … Auch gegen Geräusche oder Lärm sind diese Kinder oft ausgesprochen überempfindlich, bisweilen dieselben, die in anderen Situationen gegen das, was um sie vorgeht, auch gegen Lärm, so völlig abgestellt und unempfindlich sind. «
Hans Asperger
In Autobiografien und in den Beschreibungen der Eltern tauchen immer wieder Schilderungen über die sensorische Über- und Unterempfindlichkeit der Person gegenüber bestimmten Reizen auf. In neueren Untersuchungen wurden solche ungewöhnlichen sensorischen Wahrnehmungs- und Reaktionsmuster bestätigt. 1 Einige Erwachsene fühlen sich durch ihre sensorische Überempfindlichkeit im Leben schwerer beeinträchtigt als durch Probleme beim Schließen von Freundschaften, bei der Gefühlssteuerung und bei der Arbeitssuche. Das wurde allerdings lange Zeit auch von vielen Fachkräften weitgehend ignoriert und bis heute gibt es weder eine befriedigende Erklärung für diese Überempfindlichkeiten noch ausreichend effektive Therapiemethoden.
Die häufigste Überempfindlichkeit betrifft
bestimmte Geräusche.
Es gibt jedoch auch Überempfindlichkeiten gegenüber
taktilen Reizen (Berührung),
hellem Licht,
dem Geschmack oder der Beschaffenheit des Essens und gegenüber
bestimmten Gerüchen.
Unter- oder Überreaktionen bei Schmerzen kommen auch vor. Außerdem können der Gleichgewichtssinn, die Bewegungswahrnehmung und der Orientierungssinn beeinträchtigt sein.
Eines oder mehrere dieser sensorischen Systeme können so gestört sein, dass alltägliche Reize als unerträglich intensiv empfunden oder aber überhaupt nicht wahrgenommen werden. Menschen, die es nicht so empfinden, können diese Wahrnehmung nur schwer nachvollziehen. Umgekehrt wundern sich Menschen mit Asperger-Syndrom, warum normale Menschen nicht ähnlich auf diese Reize reagieren.
Kinder hören manchmal auch sehr leise Geräusche, werden durch plötzliche Geräusche übermäßig erschreckt oder finden einen laufenden Fön oder Staubsauger geradezuunerträglich. Sie halten sich dann die Ohren zu oder laufen davon. Helles Sonnenlicht blendet oder bestimmte Farben sind zu grell. Mitunter lassen sie sich von visuellen Details gefangen nehmen, etwa von Staub, der in einen Sonnenstrahl tanzt. Manche Kinder lehnen Essen mit einer bestimmten Beschaffenheit oder Temperatur oder einem bestimmten Geschmack oder Geruch ab. Ihnen wird von Parfum oder Reinigungsmittel schwindelig.
Dagegen reagiert das Kind bei anderen Reizen zu unempfindlich: Es hört bestimmte Töne nicht, zeigt keine Schmerzreaktion bei einer Verletzung oder geht im Winter ohne warme Kleidung hinaus. Das sensorische System kann zu einem bestimmten Zeitpunkt überempfindlich, aber schon im nächsten Moment unterempfindlich reagieren. Einige sensorische Erfahrungen verschaffen aber auch ein extremes Glücksgefühl. Das kann etwa das Geräusch oder das Vibrieren einer Waschmaschine sein oder das farbige Licht einer Straßenlaterne.
Sensorischer Overload
Menschen mit Asperger-Syndrom beschreiben oft, wie sie von Sinnesreizen überwältigt und überfordert werden. Hier spricht man von einem sensorischen Overload.
Die intensiven sensorischen Erlebnisse, die Nita Jackson als »dynamische sensorische Welle« 2 beschreibt, führen dazu, dass derjenige in Situationen besonders gestresst und ängstlich reagiert, die für andere
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