Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
der Lage, auch nur einen Teil der Verantwortung zu übernehmen.
Ihre Partner beschweren sich dann: »Nie gesteht er die Schuld ein«, »immer schiebt er mir die Schuld zu«, »immer kritisiert er mich« und »nie baut er mich auf«.
Kritik wird als persönlicher Angriff verstanden und manchmal mit Beschimpfungen beantwortet. Selten sind sie dann zuReue in der Lage oder dazu, zu vergeben und zu vergessen. Das liegt meist daran, dass sie sich nur schwer in den anderen und in seine Gefühle und Gedanken hineinversetzen können. Die Beziehung kann auch durch ihre Probleme mit der Steuerung ihrer Wut erschwert werden.
Die Partnerin fühlt sich emotional erschöpft und vernachlässigt
Kürzlich wurde eine Untersuchung zur geistigen und körperlichen Gesundheit von Paaren, in denen der Mann das Asperger-Syndrom hat, durchgeführt. Darin wurde gezeigt, dass die Beziehung sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Partner hat. 7 Die meisten Männer erklärten, dass sich ihre Gesundheit durch die Beziehung deutlich verbessert habe. Sie erlebten weniger Stress und wünschten sich, lieber in einer Beziehung als allein zu leben. Ihnen brachte die Beziehung eine innere Befriedigung. Dagegen hat die seelische Gesundheit der großen Mehrheit der weiblichen, normalen Partner durch die Beziehung gelitten. Sie fühlten sich emotional erschöpft und vernachlässigt und viele berichteten von Symptomen einer Depression. Die Beziehung hat bei ihnen auch zur Verschlechterung der körperlichen Gesundheit beigetragen.
Dieser Unterschied erklärt auch, wa rum autistische Männer oft meinen, dass die Beziehung im Grunde stabil sei und nicht verstehen, dass man ihre mangelnden sozialen Fähigkeiten kritisiert. Für ihre Bedürfnisse reicht die Beziehung tatsächlich aus, doch die Partnerin fühlt sich dabei mehr wie eine Haushälterin, Buchhalterin und Ersatzmutter.
Wie man die Beziehung stärken kann
Ich habe Paare beraten, bei denen ein Partner das Asperger-Syndrom hat. Ich empfinde großen Respekt für nichtautistische Partner, sich auf eine solche Beziehung einzulassen. Sie glauben an ihren Partner, bleiben ihm treu und glauben daran, dass ihr Partner nicht »kann«, nicht, dass er nicht »will«. Sie können verstehen, was es bedeutet, das Asperger-Syndrom zu haben.
Wie die Partnerschaft gelingt
Es gibt drei Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beziehung 8 :
Beide Partner müssen die Diagnose anerkennen. Das fällt dem nichtautistischen Partner manchmal leichter. Auch die Familie und die Freunde anerkennen und verstehen schließlich die besonderen Umstände. Das Paar kann dann auch den Alltag besser gemeinsam bewältigen. Zugleich bedeutet die Anerkennung der Diagnose auch das Eingeständnis, dass die Beziehungsfähigkeiten des autistischen Partners dauerhaft eingeschränkt bleiben werden. Eine solche Akzeptanz der Diagnose ist wichtig, damit derjenige seine Stärken und Schwächen in der Beziehung erkennt. Langsam wird er begreifen, wie sein Verhalten sich auf den Partner auswirkt. Ein erster Schritt, um die Beziehung zu verbessern und das gegenseitige Verständnis zu fördern.
Beide Partner müssen die Motivation aufbringen, sich zu ändern und dazuzulernen. Die Motivation zur Veränderung ist meist beim nichtautistischen Partner höher, der möglicherweise ohnehin bereits flexibler ist und bessere Beziehungsfähigkeiten mitbringt.
Beide sollten auch eine Partnerschaftsberatung in Erwägung ziehen, die an die Fähigkeiten des autistischen Partners angepasst ist. Die Vorschläge des Therapeuten sowie die entsprechende Fachliteratur und Selbsthilfegruppen sollten konstruktiv genutzt werden.
Paarberatung
Viele Paare, die Paarberatungen aufsuchen, bemerken, dass ihnen eine Standardpaarberatung weniger gut hilft, wenn einer der Partner das Asperger-Syndrom hat. Der Berater muss sich mit dem Asperger-Syndrom auskennen und seine Beratung an die besonderen Probleme anpassen, die diese Menschen mit Empathie, Selbsteinsicht und der Vermittlung ihrer Gefühle haben.
Inzwischen gibt es Selbsthilferatgeber von Fachkräften, aber auch solche von Paaren, bei denen ein Partner das Asperger-Syndrom hat. 9
Man darf nicht vergessen, dass meine Beschreibungen von Menschen stammen, diekeine frühe Diagnose und entsprechend keine frühzeitige Hilfe zur Förderung ihrer sozialen Fähigkeiten erfahren haben. Diese Menschen wussten ihr Leben lang, dass sie anders sind und haben entsprechende Tarn- oder Kompensationsmechanismen entwickelt. Mit ihnen
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