Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
zu wenig mit jemandem verbunden.
Als ob man ein Stück Holz umarmt
Wenn der normale Partner leidet und als Trost Empathie und Gesten und Worte der Zuneigung vom Partner erwartet, sieht er sich oft alleine gelassen und muss selbst damit fertig werden. Das ist aber meist keine böse Absicht. Der Asperger-Partner ist im Grunde sehr freundlich, aber aus seiner Erfahrung heraus ist Zurückgezogenheit das beste Hilfsmittel in solchen Situationen. Eine Umarmung ist für sie selbst oft eher unangenehm– normale Partner erklären, die Umarmung eines autistischen Partners sei, als würden sie »ein Stück Holz umarmen«. Er kann dabei nicht entspannen und die Nähe und Berührung nicht genießen.
Menschen mit Asperger-Syndrom nehmen an, dass das Zurückziehen, das ihnen selbst hilft, auch dem Partner helfen kann. Auch sind sie oft unsicher, wie sie reagieren sollen und haben Angst, die Lage durch eine falsche Reaktion schlimmer zu machen.
Sexualität
Sexuelle Intimität kann ein Problem darstellen. Eine Person mit Asperger-Syndrom ist meist kein geborener Romantiker, der den Wert einer entsprechenden Atmosphäre, eines Vorspiels und engen Körperkontakts zu würdigen weiß. Ron sagte dazu: »Intimität bedeutet für mich, überwältigt zu werden. Ich habe noch nie die sprichwörtliche gemeinsame erotische Chemie mit jemandem erlebt.« Auch kann es in Momenten sexueller Intimität zu unangenehmen sensorischen Wahrnehmungen kommen, die die gemeinsame Lust beeinträchtigen.
Manchmal ist das Wissen um die Sexualität begrenzt. Während Männer oft Pornos zurate ziehen, halten sich Frauen an Soaps als Ratgeber für das Verhalten in intimen Beziehungen. Normale Partner haben zum Teil auch Schwierigkeiten, mit jemandem eine romantische und leidenschaftliche Beziehung zu führen, den sie »bemuttern« müssen und der lediglich die emotionale Reife eines Jugendlichen besitzt.
»Warum willst du Sex, wo wir doch schon genug Kinder haben?«
Sexualität kann auch zu einem Spezialinteresse werden. Derjenige sammelt dann Informationen zur sexuellen Vielfalt und entsprechenden Aktivitäten. Die sexuelle Lust kann exzessiv, sogar zwanghaft werden. Meist aber wird der Partner bei einem Menschen mit Asperger-Syndrom eher denMangel an Lust beklagen. Es kann dazu kommen, dass dieser asexuell wird, nachdem er Kinder gezeugt und sich einer Beziehung verschrieben hat. In einer Therapiesitzung beklagte sich einmal eine Frau, dass sie mit ihrem autistischen Partner über ein Jahr lang keinen Sex gehabt habe. Dieser antwortete ihr: »Warum willst du Sex, wo wir doch schon genug Kinder haben?«
Partnerschaftliches Verhalten
Es bestehen noch weitere Probleme. Es ist üblich geworden, die Begriffe Ehemann und -frau durch den Begriff Partner zu ersetzen. Darin spiegeln sich veränderte Erwartungen an eine Beziehung wieder. Frauen wollen im Mann heutzutage nicht mehr nur den Ernährer sehen. Sie wollen, dass er sich auch am Haushalt beteiligt, sich mit um die Kinder kümmert und auch die Rolle als bester Freund übernimmt, mit dem sie sich unterhalten und etwas erleben kann und der sie emotional unterstützt. Diese Gemeinsamkeit und die Rolle als bester Freund sind aber Dinge, die Menschen mit Asperger-Syndrom nicht besonders liegen.
Einsame Entscheidungen statt gemeinsamer Lösungen
Probleme können auch in der mangelnden Fähigkeit des Partners begründet liegen, mit Ängsten umzugehen. Das kann die Beziehung beeinflussen. Er kann einen Kontrollzwang entwickeln und seine strikten Routinen der Familie aufzwingen. Er kann einsame Entscheidungen treffen, etwa in Bezug auf einen Umzug oder auf berufliche Veränderungen, ohne den normalen Partner darin einzubinden. Bei denjenigen Erwachsenen mit Asperger-Syndrom, die Probleme mit der exekutiven Funktion haben (siehe Kapitel 9), muss der normale Partner oft die Verantwortung für die Finanzen der Familie und für die Lösung organisatorischer und zwischenmenschlicher Probleme übernehmen, die sich etwa aus der Arbeitssituation des Betroffenen ergeben. Dadurch leidet der normale Partner unter zusätzlichen Belastungen.
Fehlende Kompromissbereitschaft
In jeder Beziehung gibt es unvermeidlicherweise Auseinandersetzungen und Konflikte. Bei Personen mit Asperger-Syndrom besteht aber häufig eine begrenzte Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu lösen. Ihnen stehen weniger Möglichkeiten zur Verfügung und sie sind weniger offen für Verhandlungen, andere Perspektiven oder Kompromisse. Sie sind manchmal nicht in
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