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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Russisch sagen, und dann setzten sie sich alle in Bewegung und gingen einen Steinpfad hinunter zu einem Garten, der fast genauso aussah wie der ihrer Mutter. Ein weißer schmiedeeiserner Zaun mit raffinierten Schnörkeln und Spitzen umrahmte eine Parzelle. Darin stand eine polierte Kupferbank vor drei Granitsteinen. Überall blühten Blumen. Über ihnen leuchtete der Himmel in prächtigen Farben. Zwischen unzähligen Sternen schossen Blitze und Schlieren aus Violett, Rosa und Orange hin und her. Das Nordlicht.
    Die Mutter ließ sich auf die Kupferbank sinken, und Stacey nahm neben ihr Platz und hielt ihre Hand.
    Meredith und Nina stellten sich hinter sie und legten ihrer Mom eine Hand auf die Schulter.
    Veronika Petrowna Marschenko
    1919 –
    Denk an unsere Linde im Sommergarten
    Dort werden wir uns wiedersehen, Geliebte.
    Leo Alexandrowitsch Marschenko
    1938 – 1942
    Unser Löwe
    Zu früh von uns gegangen.
    Doch erst als Meredith den letzten Grabstein betrachtete, drückte sie ihrer Mutter die Schulter.
    Alexander Andrejewitsch Marschenko
    1917 – 2000
    Geliebter Ehemann und Vater
    »Letztes Jahr?«, fragte sie und wandte sich zu Stacey, deren Augen sich wieder mit Tränen füllten.
    »Er hat sein ganzes Leben auf dich gewartet«, sagte sie. »Aber im letzten Winter … hat sein Herz einfach aufgegeben.«
    Die Mutter schloss die Augen und senkte den Blick.
    Meredith konnte sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie groß ihr Schmerz sein musste, was sie angesichts der Erkenntnis empfand, dass ihre große Liebe nicht tot gewesen war und ihr ganzes Leben nach ihr gesucht hatte. Um sie dann nur um wenige Monate zu verpassen. Und doch war ihr Sascha jetzt hier, in diesem Garten, der dem ihrer Mutter so sehr ähnelte.
    »Er hat immer gesagt, er würde im Sommergarten auf dich warten.«
    Langsam öffnete sie die Augen. »Unser Baum«, sagte sie und starrte lange Zeit auf den Grabstein. Schließlich tat sie das, was sie immer tat und was nur wenige so konnten wie sie: Langsam richtete sie sich auf, straffte die Schultern, reckte das Kinn und brachte ein Lächeln zustande, auch wenn es zittrig und unsicher war. »Kommt«, bat sie mit ihrer magischen Stimme, die ihrer aller Leben in den letzten Wochen verändert hatte. »Lasst uns Tee trinken. Wir haben uns viel zu erzählen. Anja, ich möchte dir deine Schwestern vorstellen. Meredith war immer die Organisierte, und Nina ist ein bisschen verrückt, aber wir alle ändern uns und mit dir werden wir uns noch mehr verändern.« Sie lächelte, und wenn ein Anflug von Traurigkeit in ihrem Blick lag – eine Erinnerung an die Worte Dort werden wir uns wiedersehen  –, dann war das nur natürlich und wurde gemildert von der Freude, die in ihrer Stimme mitschwang. Vielleicht sollte es auch so sein, vielleicht entfaltete sich so das Leben, wenn man lange genug lebte. Freude und Traurigkeit gehörten dazu. Vielleicht war es die Kunst, alle Gefühle zuzulassen, doch sich ein kleines bisschen mehr an die Freude zu halten, weil man nie wissen konnte, wann ein starkes Herz einfach aufgab.
    Meredith nahm die Hand ihrer neuen Schwester und sagte: »Es ist mir eine große Freude, dich kennenzulernen, Anja. Wir haben so viel von dir gehört …«

 
    Kein ferner Himmel schützte mich,
    kein Fremder schirmte mein Gesicht.
    Zeugin war ich des Schicksals aller,
    überlebte die Zeit und jenen Ort.
     
    Anna Achmatowa
    aus Gedichte von Achmatowa

Epilog
    2010
    Ihr Name ist Vera, und sie ist ein armes Bauernmädchen, ein Niemand.
    In Amerika weiß niemand etwas über dieses Mädchen oder den Ort, von dem sie stammt. Ihr geliebtes Leningrad – Peters berühmtes Fenster zum Westen – ist wie eine welkende Blume, immer noch wunderschön, aber von innen verrottend.
    Doch das weiß Vera noch nicht. Sie ist nur ein Mädchen voller großer Träume.
    Im Sommer wacht sie oft mitten in der Nacht auf und folgt einem Ruf, den sie sofort wieder vergisst. Sie lehnt sich aus dem Fenster und blickt hinüber zur Brücke. Im Juni, wenn die Luft nach Linden und neuen Blumen duftet und die Nacht so kurz ist wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, kann sie vor lauter Aufregung kaum schlafen.
    Dies sind Belije Notschi. Die weißen Sommernächte, wenn der Himmel nie dunkel und es draußen nie still wird.
    Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich das Buch schließe – mein Buch. Nach all den Jahren habe ich mein Tagebuch beendet. Es ist kein Märchen, keine allegorische Erzählung, sondern meine

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