Ein Garten im Winter
und suchte nach etwas, was ihr beim Einschlafen helfen oder sie beschäftigen könnte: Fernsehen, ein Buch, eine Tasse Tee …
Als ihr Blick auf das Telefon fiel, wusste sie, was sie brauchte: Ninas Einverständnis. Wenn Nina das Pflegeheim absegnete, müsste Meredith nur die halbe Last schultern.
Sie wählte die Handynummer ihrer Schwester und setzte sich aufs Sofa.
»Hallo?«, ertönte eine Stimme mit ausgeprägtem Akzent. Irisch, dachte Meredith. Oder schottisch.
»Hallo? Ich wollte mit Nina Whitson sprechen. Habe ich mich verwählt?«
»Nein. Dies ist ihr Handy. Mit wem spreche ich?«
»Mit Meredith Cooper. Ich bin Ninas Schwester.«
»Ah, toll. Ich bin Daniel Flynn. Sie haben sicher schon von mir gehört.«
»Nein.«
»Sehr enttäuschend, finden Sie nicht? Ich bin … ein guter Freund Ihrer Schwester.«
»Wie lange sind Sie denn schon … befreundet, Daniel Flynn?«
Sein Lachen war tief und grollend. Verdammt sexy. »Daniel ist mein alter Herr und ein ziemlicher Teufel. Nennen Sie mich Danny.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Danny.«
»Viereinhalb Jahre. Grob geschätzt.«
»Und sie hat Sie nie erwähnt oder mit nach Hause gebracht?«
»Umso schlimmer, nicht wahr? Okay, es war schön, mit Ihnen zu reden, Meredith, aber Ihre Schwester wirft mir böse Blicke zu, daher gebe ich ihr jetzt das Telefon.«
Als Meredith sich verabschiedete, hörte sie lautes Rascheln, als ob Danny und Nina ums Telefon rangelten.
Dann kam Nina an den Apparat, sie lachte und klang etwas außer Atem. »Hey, Mere. Was ist los? Wie geht’s Mom?«
»Offen gestanden rufe ich deshalb an, Neens. Ihr geht es nicht gut. Sie ist in letzter Zeit ziemlich verwirrt. Nennt mich ständig Olga und erzählt das verdammte Märchen, als hätte es etwas zu bedeuten.«
»Was sagt denn Dr. Burns?«
»Er hält es für ganz normale Trauer, aber –«
»Gott sei Dank. Ich will auf keinen Fall, dass sie wie Tante Dora in diesem furchtbaren Pflegeheim endet, wo man nur noch Game Shows gucken kann und Brei bekommt.«
Meredith zuckte zusammen. »Sie ist hingefallen und hat sich den Knöchel verstaucht. Glücklicherweise war ich gerade bei ihr, aber ich kann nicht immer da sein.«
»Du bist eine Heilige, Mere. Wirklich.«
»Nein, bin ich nicht.«
»Das hat Mutter Teresa auch zu mir gesagt.«
»Ich bin nicht Mutter Teresa.«
»Doch. Weil du dich um Mom und die Apfelplantage kümmerst. Dad wäre stolz auf dich.«
»Sag das nicht«, flüsterte sie, weil sie keine Kraft mehr für ihre Stimme hatte. Jetzt wünschte sie, sie hätte nicht angerufen.
»Hör mal, Mere. Ich kann jetzt nicht reden. Wir wollten gerade los. Gab’s was Wichtiges?«
Dies war ihre Gelegenheit: Jetzt konnte sie die Wahrheit sagen und verurteilt werden (die angebliche Heilige, die ihre Mutter in ein Heim steckte) oder sie konnte schweigen. Was, wenn Nina nicht einverstanden war? Über diese Möglichkeit hatte Meredith noch nicht nachgedacht, aber jetzt sah sie es deutlich vor sich: Nina würde sie nicht unterstützen, und dadurch würde alles nur noch schlimmer werden. Sie konnte es nicht ertragen, von Nina als selbstsüchtig betrachtet zu werden. »Nein, nichts Wichtiges. Ich komme schon klar.«
»Gut. Vergiss nicht, an Dads Geburtstag komme ich nach Hause.«
»Alles klar«, sagte Meredith und spürte, wie ihr flau wurde. »Wir sehen uns dann.«
»Mach’s gut«, sagte Nina, und dann war das Gespräch beendet.
Meredith legte auf. Seufzend schaltete sie alle Lampen aus und ging wieder nach oben, ins Bett zu ihrem Mann.
… in diesem furchtbaren Pflegeheim endet …
Mutter Teresa
Lange Zeit lag sie nur da, starrte in die Dunkelheit und dachte an die längst vergangenen, schrecklichen Besuche bei Tante Dora.
Eigentlich war sie überzeugt, die ganze Nacht wach gelegen zu haben, aber der Wecker riss sie um sieben Uhr aus dem Schlaf.
Jeff stand mit einer Tasse Kaffee am Bett. »Alles in Ordnung mit dir?«
Am liebsten hätte sie nein gesagt, es herausgeschrien, wäre vielleicht sogar in Tränen ausgebrochen, doch wozu sollte das gut sein? Das Schlimmste von allem war, dass Jeff Bescheid wusste. Er bedachte sie wieder mit seinem traurigen Blick, diesem Ich bin da, wenn du mich brauchst- Blick . Wenn sie ihm die Wahrheit sagte, würde er ihre Hand halten, sie küssen und ihr versichern, dass sie das Richtige tat. Und dann würde sie wirklich zusammenklappen. »Mir geht es gut.«
»Ich wusste, dass du das sagen würdest«, erwiderte er und trat einen
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