Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
Vom Netzwerk:
verwüstete Esszimmer.
    »Ich schätze schon.«
    »Meine Güte!«
    »Allerdings.« Sie blickte ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte.
    Als sie Dr. Burns vorfahren hörte, stürzte sie erleichtert los.
    Mit ziemlich entnervter Miene und einem angebissenen Sandwich betrat er das Haus. »Hallo, ihr beiden«, sagte er zur Begrüßung. »Was ist denn los?«
    »Mom hat Tapeten heruntergerissen und ist vom Stuhl gefallen. Ihr Fußknöchel ist schon so dick wie ein Ballon«, erklärte Meredith.
    Dr. Burns nickte und legte sein Sandwich auf das Flurtischchen. »Dann schauen wir mal.«
    Aber als sie das Wohnzimmer betraten, saß ihre Mutter aufrecht da und strickte wie an einem ganz normalen Nachmittag, so als hätte sie nicht versucht, Tapete zu kochen und sich selbst zu verletzen.
    »Anja«, sagte Jim und ging zu ihr. »Was ist denn hier passiert?«
    Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Ihre blauen Augen waren vollkommen klar. »Ich wollte das Esszimmer neu gestalten und bin vom Stuhl gefallen. Sehr dumm von mir.«
    »Neu gestalten? Wieso denn das?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. So sind wir Frauen eben.«
    »Dürfte ich einen Blick auf deinen Knöchel werfen?«
    »Natürlich.«
    Er untersuchte behutsam ihren Knöchel und verband ihn neu.
    »Die Schmerzen sind nicht schlimm«, meinte sie.
    »Was ist denn mit deinen Händen?«, fragte er und betrachtete prüfend ihre Fingerspitzen. »Sieht so aus, als hättest du dich absichtlich geschnitten.«
    »Unsinn. Ich habe renoviert. Das habe ich doch schon gesagt.«
    Dr. Burns betrachtete sie ein paar Minuten, dann lächelte er freundlich. »Komm, Jeff und ich bringen dich in dein Zimmer.«
    »Natürlich.«
    »Du bleibst hier, Meredith.«
    »Gerne«, erwiderte sie und sah unruhig zu, wie sie zu dritt die Treppe hinaufstiegen und verschwanden.
    Dann lief sie ungeduldig hin und her und kaute an ihrem Daumennagel, bis es anfing zu bluten.
    Als Jeff und Dr. Burns wieder die Treppe herunterkamen, sah sie den Arzt an. »Und?«
    »Sie hat sich den Knöchel verstaucht. Er kommt wieder in Ordnung, wenn sie ihn nicht belastet.«
    »Das meinte ich nicht, und das weißt du auch«, erwiderte Meredith. »Du hast doch ihre Finger gesehen. Und neben ihrem Bett habe ich ein Teppichmesser gefunden. Ich glaube, sie hat sich absichtlich verletzt. Es muss Alzheimer sein. Oder eine andere Form von Demenz. Was machen wir jetzt?«
    Jim nickte langsam. Offensichtlich versuchte er, zu einem Schluss zu kommen. »In Wenatchee gibt es eine Einrichtung, wo sie für vier bis sechs Wochen unterkommen könnte. Wir könnten sagen, es sei eine Reha-Maßnahme für ihren Knöchel. Die Versicherung würde dafür aufkommen, und in ihrem Alter geht der Heilungsprozess langsam vonstatten. Das ist zwar keine Dauerlösung, aber eine Möglichkeit für dich – und sie –, die Geschehnisse zu verarbeiten. Vielleicht wäre es hilfreich, eine Weile von Belije Notschi und den damit verbundenen Erinnerungen fortzukommen.«
    »Sprichst du von einem Pflegeheim?«, fragte Meredith.
    »Niemand mag Pflegeheime«, sagte der Arzt. »Aber manchmal sind sie die beste Lösung. Außerdem ist es doch nur eine Übergangslösung.«
    »Kannst du ihr sagen, sie müsste wegen ihres Knöchels zur Reha?«, fragte Jeff. Meredith hätte ihn küssen können. Er wusste, wie schwer ihr diese Entscheidung fiel.
    »Natürlich.«
    Meredith holte tief Luft. Sie wusste, diesen Augenblick der Entscheidung würde sie immer und immer wieder im Geiste durchgehen und sich wahrscheinlich jeden Tag mehr dafür hassen. Sie wusste, ihr Vater hätte diese Entscheidung niemals getroffen und auch bei ihr nicht gutgeheißen. Doch sie konnte nicht leugnen, wie sehr ihr dadurch geholfen wäre.
    Sie schläft im Freien … reißt Tapeten von den Wänden … fällt vom Stuhl … was kommt als Nächstes?
    »Gott möge mir helfen«, sagte sie leise und fühlte sich einsam, obwohl Jeff direkt neben ihr stand. Zum ersten Mal erlebte sie, wie eine einzige Entscheidung einen isolieren konnte. »Ist gut.«
    In der darauffolgenden Nacht konnte Meredith nicht schlafen. Sie lag im Bett und hörte im Minutentakt das Klicken der Digitaluhr.
    Alles an ihrer Entscheidung kam ihr falsch vor. Selbstsüchtig. Es war wirklich nur ihre eigene, einsame Entscheidung gewesen.
    So lange sie konnte, blieb sie im Bett und versuchte sich zu entspannen. Um zwei Uhr morgens ließ sie alle Hoffnung fahren und stand auf.
    Unten streifte sie durch das dunkle stille Haus

Weitere Kostenlose Bücher