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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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geschnalzt und war dabei nur ihren eigenen Gedanken gefolgt. Als Mrs. Bell endlich ihrer Schläfrigkeit nachgab, murmelte sie, es sei ihr immer eine Freude, sich mit einer gebildeten jungen Dame auszutauschen.
    In Cuxhaven waren die Männer vom Zoll an Bord gekommen, sie kontrollierten nun im Bauch des Schiffes Ladung und Reisekoffer. Das Handgepäck der Passagiere folgte später, wenn alle wach und wieder an Deck waren. Mrs. Bell schlief tief und fest, als Henrietta die stickige Kabine verließ. Sie sehnte sich nach frischer Luft und dem weiten Blick, den sie immer als Erstes erinnerte, wenn sie an diesen Fluss dachte, an dem sie aufgewachsen war.
    Die Morgendämmerung war erst zu ahnen, doch aus dem Speisesaal kamen schon Stimmen, Geschirr und Besteck klapperten, es roch nach Tee, Spiegeleiern und angebranntem porridge .
    Die Lilly Prym stampfte wieder in stoischem Gleichmut durch die Fluten, das auflaufende Wasser gab ihr Schwung. Die beiden Ladebäume und der Schornstein zeichneten sich gegen den Himmel ab, an dem die letzten Sterne verblassten.
    «Take care, Missy», brummte ein vorbeistolpernder Matrose, als sie sich über die Reling lehnte, das Gesicht in die Brise hielt und die Augen schloss. Ihr Besuch an der Elbe war seit geraumer Zeit geplant gewesen, der erste nach einer Reihe von Jahren, sie hatte sich darauf gefreut wie ein Kind. Umso mehr, als es seit ihrer Hochzeitsreise vor zwei Jahren auch die erste gemeinsame Fahrt mit Thomas hätte sein sollen. So steckte sie tief in den Vorbereitungen, als das Kabel mit der Nachricht kam.
    Sie hatte nicht wirklich erfasst, was das Telegramm in dürren abgehackten Worten mitteilte, es blieben nur Worte. Sie hatte den nächsten Zug nach London genommen, allein, ohne die Begleitung zumindest einer Bediensteten, von dort das Schiff nach Hamburg. Nun war das vertraute Ufer schon nah, und sie hatte immer noch das Gefühl, in einem Wartesaal zu verharren. Bis der Inhalt des Telegramms begreifbar sein würde, die Nachricht vom Tod ihres Vaters.
    Plötzlich fühlte sie tiefe Verlassenheit und die Sehnsucht nach Thomas wie einen Schmerz in Körper und Seele. Sie hätte gerne geweint, hier, wo niemand sie sah oder hörte, aber ihre Augen brannten nur von der Schlaflosigkeit der Nacht und sie beschloss, tapfer zu sein, sich kühl zu zeigen, wie es sich für eine erwachsene Frau gehörte. Überhaupt war es ein guter Schmerz, er bewies, wie sehr ihr Mann ein Teil von ihr war und dass sie sich geirrt hatte, als sie an ihrer Ehe zweifelte. In wenigen Tagen war Thomas da und stand ihr bei, sobald er seine Verpflichtungen in Antwerpen erfüllt hatte, das hatte er versprochen. Inzwischen musste er ihr Kabel bekommen haben und verstehen, warum sie so überstürzt ohne ihn abgereist war. Und natürlich bemühte er sich nun noch mehr, seine Geschäfte rasch abzuschließen, um direkt nach Hamburg zu reisen.
    Geschäfte schnell abschließen – ging das überhaupt? Sie verstand so wenig davon. Tatsächlich wusste sie gar nichts. Besonders im zweiten Jahr ihrer Ehe war er häufig nach London gefahren, ab und zu auch auf den Kontinent. Und immer hieß es nur: in Geschäften. Es gehe um die Verwaltung des Familienbesitzes, hatte er auf ihre Frage erklärt, da müsse er sich oft beraten, die Gelder klug anlegen – mit solchen Angelegenheiten wolle er sein liebstes Mädchen aber gewiss nicht langweilen, alles diene ihrem behaglichen und sicheren Leben. Dann hatte er sie auf die Stirn geküsst und war davongeeilt.
    Sie hätte es gerne genauer gewusst, er war ihr Mann, und sie liebte ihn, also wollte sie wissen, womit er seine Tage verbrachte, was er dachte, was ihn bewegte, aber sie hatte nie weitergefragt. Es war sein Familienbesitz und im Übrigen Männersache.
    «Mrs. Winfield? Verzeihen Sie, wenn ich Sie einfach anspreche. Ich dachte, Sie mögen vielleicht eine Tasse Tee.»
    Es war eine männliche Stimme, und sie klang auf unaufdringliche Weise besorgt. Eine seltene Kombination, fand Henrietta und drehte sich um. Neben ihr stand ein Mann im zerknitterten Sommeranzug, das sehr kurz geschnittene Haar war in der beginnenden Dämmerung hell wie sein Gesicht. Sie erinnerte sich an ihn, er hatte beim Abendimbiss am Nachbartisch gesessen. Nun reichte er ihr eine Tasse mit dampfendem Tee und lächelte auffordernd.
    «Kresslin», fuhr er fort, «ich heiße Andreas Kresslin. Eisenbahningenieur auf der Durchreise nach Berlin und weiter nach Kleinasien.»
    «Das ist eine lange Reise», antwortete

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