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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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großen Theater, vage Geräusche zur Bedrohung aus dem Hinterhalt machte. Doch die Stadt war trotz der engen, von hohen Fassaden gesäumten Straßen nicht ganz düster, der Mond hing über den Dächern, und die Straßenlaternen brannten noch, was er für Verschwendung hielt – wenn es auch nicht so still war wie nachts in seiner erheblich kleineren Heimatstadt, war doch kaum noch jemand unterwegs. Selbst die Straßenbahnen und Pferdeomnibusse, von denen einige Linien bis nach Mitternacht verkehrten, fuhren nun nicht mehr, die Theater, sogar die frivolsten der Varietés, hatten lange genug geschlossen, dass deren Besucher schon zu Hause oder in den Hotels angekommen waren. Hier in der Nähe des Hafens gab es zudem Kaschemmen für die letzten Nachtschwärmer, auch Bordelle und Hinterzimmer für Karten und Würfel, aber bisher war er niemandem begegnet, der der Beachtung wert gewesen wäre.
    Trotzdem blieb er wachsam, patrouillierenden Schutzleuten wollte er ebenso wenig über den Weg laufen wie irgendwelchem dunklen Gelichter. Heiterkeit stieg in ihm auf, vom Bauch, diesem unvernünftigen, gleichwohl verlässlichen Freund, direkt hinauf in den Kopf, und ließ ihn lächeln. Noch vor zwei Wochen hatte er nur zwei Optionen für seine Zukunft gesehen: den ehrenvollen Tod mit der Pistole oder die heimliche Flucht Richtung Australien oder über den Atlantik nach Westen, von New York ging die Eisenbahn nun bis nach San Francisco am Pazifik. Natürlich war diese Ehrenschießerei absurd. Also hatte er sich nach annehmbaren Schiffspassagen erkundigt, diskret und ganz allgemein. Wenn man ein neues Leben in Angriff nahm, einen neuen Anfang wagte, tat man das klugerweise, ohne dass jemand darum wusste. Sollten doch alle denken, er sei in der Nacht über Bord gegangen. So war es am besten.
    Nun hatte sich alles gewendet. Das Leben war immer für eine Überraschung gut – eine banale, aber wunderbar zutreffende Feststellung. Womöglich war es nun gar nicht mehr nötig, zu verschwinden? Es war trotzdem die beste Option, Glück war ein launisches Ding. Außerdem brauchte er frischen Wind, sein Leben war von zu vielen Erwartungen, Pflichten und Vorschriften eingeschnürt, es fühlte sich erstarrt und staubig an. Und wenn er nun noch ein wenig mehr riskierte, wurde der neue Anfang in einem der Länder hinter dem Horizont sogar halbwegs komfortabel. Was er in diesem übermütigen Gefühl von Aufbruch und Abenteuer beinahe bedauerte. Ganz unten anfangen – das war die echte Herausforderung. Natürlich fing einer wie er nie ganz unten an.
    Schritte kamen näher, gleichmäßig und gemächlich, Stiefel in doppeltem Klang. Zwei Männer. Es hörte sich mehr nach Patrouille als nach Flaneuren an. Er duckte sich tief hinter einen vor einer Eisenwarenhandlung abgestellten Karren. Wenn sie ihn dort entdeckten, konnte er behaupten, etwas zu suchen, eine Münze oder einen Schlüssel, immerhin steckte ein perfektes Passpapier in seiner Tasche. Er sah unter dem Karren hindurch ein Paar Uniformstiefel aus grobem Leder, die verrieten den einfachen Schutzmann, und ein Paar gut gearbeitete Herrenstiefeletten. Die Männer blieben nur zwei Meter vor dem Karren stehen, er hörte ihre Stimmen, zu leise, als dass er verstand, worüber sie sprachen. Dann gingen sie weiter, nun mit entschlossenen Schritten. Als er vorsichtig über den Karrenrand blickte, sah er sie bei der nächsten abzweigenden Gasse stehen bleiben. Gleich darauf waren sie von der Dunkelheit verschluckt.
    Noch einen Atemzug lang verharrte er bewegungslos im Schatten und lauschte, dann glitt er hinter dem Karren hervor und ging rasch weiter. Rasch und beinahe geräuschlos.
    Nicht geräuschlos genug.
    Am Rand des gepflasterten Platzes blieb er stehen, hier war es noch heller. Die Längsseite wurde vom Zollkanal begrenzt, an dessen anderem Ufer wuchsen die neuen Speicher mit ihren Simsen und Türmchen in den Nachthimmel. Hier verlief die nördliche Zollgrenze zum Freihafen, hier patrouillierten Zöllner, zu Fuß und zu Boot. Niemand war so misstrauisch wie Zöllner.
    In wenigen Stunden wimmelte es auf dem Platz von Marktleuten mit ihren Körben und Karren voller Obst und Gemüse aus den Vierlanden und der großen Zahl ihrer Kundschaft. Jetzt war niemand zu sehen. Nicht einmal ein Gassenkehrer oder einer der Kehrichtwagen, die in den Nächten für die Sauberkeit der Straßen und Plätze sorgten. Der Brunnenaufsatz hob sich dunkel, in den Laternenhaltern filigran, vom Nachthimmel ab. Es waren nur

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