Ein Gebet für die Verdammten
ließ auch Eadulf deutlich spüren, was sie von ihm hielt.
»Was wollt ihr schon wieder?« fragte sie in schrillem Ton. »Mein Mann ist noch nicht von der Jagd zurück.«
»Wir bringen schlechte Nachricht«, sagte Fidelma leise.
Sie zuckte zurück. »Schlechte Nachricht?«
»Es geht um deinen Mann. Er ist … ist verletzt.«
Aíbnat zeigte keinerlei Regung. Als Fidelma nicht gleich weitersprach, merkte sie, daß es um mehr ging.
»Ist er tot?« flüsterte sie.
Fidelma war bemüht, der hochmütigen Frau Mitgefühl entgegenzubringen. »Ich fürchte, ja«, war alles, was über ihre Lippen kam.
Aíbnat drehte sich um, machte ein paar Schritte ins Zimmer und blieb mit dem Rücken zu ihnen stehen, die Schultern leicht hochgezogen. Fidelma und auch Eadulf folgten ihr. Er schloß sacht die Tür, und beide blieben unschlüssig stehen.
»Wer hat ihn getötet?« fragte Aíbnat nach einer Weile und wandte sich ihnen wieder zu.
Überrascht sahen sich Fidelma und Eadulf an.
»Wie kommst du darauf, jemand könnte ihn getötet haben? Es könnte sich doch um einen Jagdunfall handeln?« fragte er.
Aíbnat hatte sich vollends unter Kontrolle, keine Träne in den Augen, als sie ihn anblickte.
»Ich kenne die Stärken meines Mannes. Er war ein guter Reiter. Außerdem deutete die Drohung darauf hin, daß sein Leben in Gefahr war.«
»Drohung? Gefahr?« wiederholte Fidelma. »Man hat ihm gedroht?«
»Als wir gestern nach der Abendmahlzeit zurückkamen, lag auf unserem Bett eine Rabenfeder.«
»Habt ihr den Wächter informiert? Mir jedenfalls hat man nichts mitgeteilt«, wunderte sich Fidelma.
Aíbnat schüttelte den Kopf. »Muirchertach hat es einfach abgetan, hielt es für ein albernes Zeichen von einem der Anhänger Ultáns. Dieser Drón hatte mehrfach düstere Drohungenausgesprochen. Aber wir glaubten uns von euren Kriegern gut beschützt. Das war ein Irrtum. Ihr habt versagt. Ihr wart nicht imstande, uns zu schützen, ebensowenig wie ihr imstande wart, Ultán zu schützen.«
»Ihr hättet das melden müssen«, sagte Fidelma, ohne auf ihre Vorwürfe einzugehen.
»Das spielt jetzt keine Rolle. Fest steht, daß ihr Muirchertach nicht geschützt habt, und dafür gibt es keine Entschuldigung.«
»Was hat das mit der Rabenfeder auf sich?« wollte Eadulf von Fidelma wissen.
»Sie ist ein Symbol für Tod und Schlachtengetümmel. Die Göttin des Todes erscheint oft in Gestalt eines Raben«, erklärte sie. »Wo ist die Feder jetzt?«
Aíbnat zuckte mit den Achseln. »Die hatte mein Mann.«
Die Frau schien nicht sonderlich bewegt oder betroffen, wiederum war Fidelma ja schon am Tag zuvor, als sie beide befragt hatte, aufgefallen, daß sie kein sehr liebevolles Verhältnis zu ihrem Gatten hatte.
»Man hat den Leichnam deines Mannes zu Bruder Conchobhar in die Apotheke geschafft. Man wird ihn waschen, für die Aufbahrung vorbereiten und in die Kapelle bringen. Der Hochkönig wünscht, daß er mit allen Ehren bedacht wird. Du und Muirchertachs
tánaiste
mögen befinden, was mit ihm geschehen soll.«
»Was mit ihm geschehen soll?«
»Als König von Connacht steht ihm das Recht zu, daß seine sterblichen Überreste mit Prunk und Gepränge in sein Königreich überführt werden.«
Sie nickte bedächtig. »Das muß Dúnchad entscheiden. Muirchertachs Vater liegt mit vielen anderen Königen in der Abtei von Cluain Mic Nois.« Sie machte eine Pause, ehe siemit der Frage fortfuhr: »Wurde der Mann, der Muirchertach getötet hat, festgenommen?«
»Der Mann?«
Sie verzog keine Miene. »Ich gehe davon aus, daß die Person, die Muirchertach getötet hat, ein Mann war.«
»Wir können dazu noch keine Aussagen machen.«
»Ihr braucht euch nur unter Ultáns Anhängern umzuschauen. Von denen ist nur einer zu so einem Racheakt fähig. Was mich betrifft, so werde ich meine Dienerschaft anweisen, für morgen meine Abreise vorzubereiten. Ich sehe keine Veranlassung, noch länger hierzubleiben. Um die Bestattungsfeierlichkeiten und die Überführung des Leichnams wird sich Dúnchad Muirisci kümmern.«
»Ich fürchte, du wirst hierbleiben müssen, bis die Dinge geklärt sind«, erklärte ihr Fidelma ernst. »Du kannst erst abreisen, wenn ich das Zeichen dafür gebe.«
Aíbnat war es nicht gewohnt, daß man ihr widersprach. »Ist dir eigentlich klar, wen du vor dir hast? Du magst die Schwester des Königs von Muman sein, ich aber bin die Frau des Königs von Connacht.«
»Du bist jetzt die Witwe des Königs von Connacht, der ermordet
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