Ein Gebet für die Verdammten
ruhig. »Ich konnte der Versuchung, mit auf die Jagd zu gehen, einfach nicht widerstehen. Mein Vater war Jäger. Er war einer der Fährtenleser der Uí MacUais. Ich hatte das ungeheure Bedürfnis, noch einmal Freiheit zu genießen, mit den Jagdhunden zu reiten, die Jagdhörner zu hören, ein gutes Pferd unter mir zu spüren und …«
»Auch wenn es das Pferd von Abt Ultán war?« unterbrach sie Fidelma.
»Das Tier kann nichts für den Reiter.« Dann huschte einSchatten über ihr Gesicht, und sie fragte besorgt: »Weiß Bruder Drón, daß ich das Pferd des Abts genommen habe?«
»Ich fürchte, ja. Die Stallburschen wußten, daß du um einen Sattel für das Tier gebeten hattest. Man hat mir außerdem mitgeteilt, daß Bruder Drón dir nachgeritten ist.«
Fergus Fanat lachte schallend auf. »Bruder Drón sucht Trost in der Jagd, nichts anderes hat Schwester Marga getan. Da kannst du ihr keine Vorwürfe machen! Und was Ultáns Pferd angeht, so hat sie es sich nur für ein paar Stunden geliehen.«
»Wenn sie sich Ultáns Pferd borgt, geht mich das nichts an«, stimmte ihm Fidelma zu. »Und weshalb sie auf die Jagd ging, hat sie mir jetzt erklärt. Trotzdem, ich möchte noch mal mit dir sprechen, Marga … allein.«
Sie ging auf Abwehr. »Worüber?«
»Ich möchte mich mit dir über Abt Ultán unterhalten.«
Schwester Margas Gesicht versteinerte sich. »Zu dem Thema kann ich nichts sagen.«
Auf Fergus Fanats Gesicht stand immer noch ein Lachen. »Komm, jeder, der auch nur irgendwie in der Nähe der Uí Thuirtrí zu Hause ist, hat etwas über Ultán zu sagen, wenn auch meistens nichts Gutes.«
Er erntete einen tadelnden Blick von Fidelma.
»Jetzt ist ein ungünstiger Zeitpunkt, darüber zu sprechen«, sagte sie zu dem Mädchen. »Ich suche dich etwas später auf. Halte dich für mich bereit und verlasse nicht das Burggelände, ehe ich etwas anderes sage.«
»Du hast kein Recht …«, begehrte das Mädchen auf.
»Ich habe jedes Recht«, fuhr Fidelma sie an, und mit einem Blick zu Fergus Fanat sagte sie: »Ich verlaß mich darauf, daß du Schwester Marga über Macht und Befugnisse einer
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aufklärst.«
Fergus Fanat wurde augenblicklich ernst. »Widerspruch ist hier fehl am Platz. Du hältst dich besser an Lady Fidelmas Weisungen«, riet er.
Schwester Marga rang mit sich, ehe sie zustimmte. Gemeinsam zogen sie über den Hof ab, als vom Eingangsturm her das Horn erschallte und die Rückkehr des Hochkönigs mit seinem Gefolge verkündete.
Finguine eilte zu Fidelma hinüber. »Die Jagdgesellschaft kehrt zurück, dein Bruder und der Hochkönig, sie kommen«, erklärte er unnötigerweise. »Die Jagdhelfer schleppen drei Keiler. Die Jagd hat sich gelohnt.«
Fassungslos starrten Eadulf und Gormán Bruder Drón an, der auf seinem Pferd saß und sich bei der Nachricht von Muirchertach Nárs Tod ausschüttete vor Lachen.
»Gott hat gerichtet«, wiederholte er. »Gott hat ihn dafür gestraft, daß er Abt Ultán ermordet hat.«
»Gott hat wenig damit zu tun«, wies Eadulf ihn empört zurecht, »es sei denn, du nimmst für dich in Anspruch, die Hand Gottes zu sein.«
Der eiskalte Ton brachte Bruder Drón zum Schweigen.
»Was willst du damit sagen?« fragte er verunsichert.
»Muirchertach Nár wurde ermordet, mit seinem eigenen Jagdspeer getötet. Der Mörder ist mit dessen Pferd davongeritten, so hat es der Fährtenleser nachgewiesen. Jetzt finden wir dich mit Muirchertach Nárs Pferd.«
Wie vor den Kopf geschlagen, sah Bruder Drón ihn an und schluckte.
»Ich habe ihn nicht umgebracht«, sagte er bestimmt.
»Glaubst du ernsthaft, wir nehmen dir die Geschichte mit dem gefundenen Pferd ab?« fragte Eadulf sarkastisch.
»Es ist die Wahrheit.«
»Du hast Muirchertach Nár die Schuld an Bischof Ultáns Tod gegeben, du wolltest Rache, und nun bist du hier – der König ist tot, und du hast sein Pferd.« Eadulf lächelte siegessicher. »Die Tatsachen sprechen eindeutig gegen dich.«
Gormáns Hand ruhte immer noch auf dem Griff seines Schwertes. »Da gibt es nichts dran zu rütteln, Bruder Drón«, bestätigte er. »Wir reiten mit dir nach Cashel und überlassen die Klärung des Falls den Richtern.«
»Ich schwöre beim heiligen …«
»Deinen Protest kannst du dir für die Richter aufheben«, schnitt ihm Gormán das Wort ab. »Da hast du Zeit genug, deine Argumente vorzubringen.«
Bruder Drón schien ehrlich erschüttert, und für kurze Zeit hatte Eadulf ein ungutes Gefühl. Entweder war der Mann ein
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