Ein Gebet für die Verdammten
befragen. Ich begebe mich inzwischen zu Bruder Conchobhar, wir treffen uns dort.«
Eilends lief Eadulf los, nicht ohne sich Vorwürfe zu machen, daß ihm der Punkt entgangen war, mit dem er Bruder Dróns Schuld hätte eindeutig belegen können. Er hatte Fidelma alles genauestens berichtet: das Auffinden der Leiche, Rónáns Spurendeutungen und wie sie Drón einholten. Er mußte ihr zugute halten, daß sie den wunden Punkt nicht direkt benannt hatte, sondern ihn nur taktvoll daran erinnert hatte.
Er überquerte den Hof und fand bei den Ställen den
gilla scuir,
den Oberstallknecht. Er bat ihn, sich das Pferd, das Bruder Drón geritten hatte, näher anschauen zu dürfen und erntete einen verwunderten Blick. Widerspruchslos griff sich der junge Mann eine Laterne und führte ihn zu den Boxen.
»Es geht mir um die Hufeisen, die möchte ich mir genauer ansehen. Wie mache ich das am besten? Ich verstehe mich nicht allzu gut auf Pferde.«
Mitleidig sah ihn der
gilla scuir
an, sagte aber nichts. Fidelma war als ausgezeichnete Pferdekennerin bekannt, wohingegensich längst herumgesprochen hatte, daß Eadulf im Umgang mit Pferden unsicher war.
»Halte die Laterne, Bruder Eadulf. Welchen Huf willst du sehen?«
»Den vorne links.«
Der Bursche betrat die Box, sprach leise mit dem Pferd und tätschelte sein Maul, damit es ihn erkannte. Dann bückte er sich und hob den linken Vorderhuf an, so daß die Unterseite zu sehen war.
»Komm näher mit der Laterne. Sachte. Halte sie so, daß du etwas erkennen kannst. Was erwartest du? Ein loses Hufeisen?«
Eadulf schüttelte den Kopf
.
Er starrte auf den Huf. Alles war in Ordnung, kein Riß, keinerlei Unebenheiten im Eisen. Enttäuscht preßte er die Lippen aufeinander und überlegte.
»Ich will auch die anderen sehen.« Konnte ja sein, Rónán hatte sich in den Hufen geirrt und sie bei der genauen Bezeichnung miteinander verwechselt.
Ziemlich rasch stand fest, daß keines der Hufeisen von dem Tier, das Bruder Drón geritten hatte, etwas Auffälliges aufwies.
Eadulf grübelte. Die einzige Schlußfolgerung, die übrigblieb, war die, daß es nicht Bruder Drón gewesen war, der Muirchertachs Pferd von der Stelle des Grauens fortgeführt hatte. Bedeutete das, daß er auch nicht der Mörder war? Er merkte, daß ihn der
gilla scuir
erwartungsvoll anschaute.
»Was hast du gesucht, Bruder Eadulf?«
»Ein Pferd mit einem gesprungenen oder zerbrochenen Hufeisen.«
Der Stallknecht verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Da hast du dir das falsche Pferd vorgenommen.« Er zeigte zu einer anderen Box. »Das dort ist heute abend miteinem kaputten Hufeisen zurückgekommen. Muß schlecht gegossen gewesen sein. Das kann schon mal passieren. Wurde aber nicht bei uns gegossen. Einer der Schmiede aus dem Norden hat das gemacht.«
»Und an welchem Huf war das?«
»Vorne links. Unser Schmied hat es gleich ersetzt.« Der Oberstallknecht hielt Eadulf zurück, der sich sofort überzeugen wollte. »Es war wirklich der linke Vorderhuf. Ich habe selbst geholfen, das Eisen auszutauschen.«
»Und wessen Pferd ist es?«
Der Bursche rieb sich das Kinn. »Es gehört Dúnchad Muirisci, dem Thronfolger von Connacht.«
KAPITEL 14
Fidelma schaute nachdenklich drein, nachdem ihr Eadulf das Ergebnis seiner Nachforschungen geschildert hatte. Gormán hatte sie taktvoller Weise in einer Ecke von Bruder Conchobhars Apotheke allein gelassen, damit sie in Ruhe die neu entstandene Lage erörtern konnten.
»Und du bist dir ganz sicher, daß Bruder Dróns Pferd kein gespaltenes Hufeisen hatte?« fragte sie eindringlich.
»Leider ja«, bestätigte Eadulf. »Ich hätte mich sofort vergewissern sollen. Alle vier Hufeisen waren einwandfrei in Ordnung. Rónán zufolge hatte das Pferd, mit dem jemand vom Tatort geritten ist, ein gebrochenes Hufeisen am linken Vorderbein. Und das trifft genau auf Dúnchad Muiriscis Pferd zu.«
»Auf Rónáns Aussagen ist Verlaß. Demnach könnte die Geschichte, die Bruder Drón dir erzählt hat, durchaus wahr sein. Er hat Muirchertachs Roß einfach im Wald gefunden.«
Die Schlußfolgerung paßte Eadulf nicht ins Konzept.
» Könnte
wahr sein, ja schon. Es ist doch aber merkwürdig, daß der Mörder den Ort des Verbrechens auf seinem Pferd verläßt, Muirchertachs Pferd am Zügel eine ganze Weile mitführt und sich dann entschließt, es irgendwo stehenzulassen.«
»Nimm’s mir nicht übel, Eadulf, viel Erfahrung als Reiter hast du nicht.«
»Das will ich nicht abstreiten«,
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