Ein gefährliches Werkzeug
unbeirrt fort, »ist ein Fräulein Janet Pharr.«
»Wahrhaftig!« sagte er überrascht.
»Fräulein Pharr ist bei Ihrer Tante in Wootton Hill zu Besuch, und ich war gestern abend im Zimmer, als diese sagte, sie wolle Sie auch einladen. Ich ließ mich heute beurlauben, um hierher zu gehen und Sie zu bitten, mich nicht zu beachten, falls Sie kommen, und nicht zu verraten, daß Sie mich schon jemals gesehen haben.«
»Es ist ein Glück,« erwiderte Esden, »daß mein Vetter Arnold dich nicht gesehen hat; er geht häufig bei meiner Tante aus und ein und war eben hier, als du kamst. Duhättest dich übrigens auf meine Verschwiegenheit verlassen können, auch wenn du mich nicht vorher benachrichtigst hättest, mein Schatz.«
»Wenn Sie wirklich ein Gentleman wären, würden Sie auch mein Wort gelten lassen. Ich habe Ihnen gesagt, daß es mir unangenehm ist, in dieser Weise angeredet zu werden.«
Damit ging sie mit einem verächtlichen, zornigen Blick auf die Thüre zu. Er suchte sie aufzuhalten.
»Lassen Sie mich vorbei,« sagte sie.
»Du warst früher ganz anders,« rief Esden, »und es ist noch nicht allzulange her. Du hast mir sogar gesagt, ich sei dir nicht gleichgültig.«
Sie wurde sehr blaß und ihr Atem ging unregelmäßig und schwer.
»Ja, ich habe Sie lieb gehabt und ich schäme mich vor mir selbst, daß Sie mir selbst jetzt noch nicht gleichgültig sind, nachdem ich doch entdeckt habe, was für ein Mensch Sie sind. Ich kann Ihnen dies ruhig sagen, Herr Esden, und werde nur um so stärker sein, weil ich es Ihnen gesagt habe. Erst lehrten Sie mich, Sie zu lieben, und dann zwangen Sie mich, Sie zu verachten.«
Sie hatte diese Worte irgendwo gelesen und sprach sie etwas theatralisch, aber es war ihr offenbar sehr ernst damit.
Esden zuckte mit Ergebung die Schultern und öffnete ihr die Thüre: »Laß uns wenigstens als Freunde scheiden,« bat er, ihr die Hand reichend.
»Lassen Sie uns als Fremde scheiden und als Fremde wieder zusammentreffen! viel tausendmal habe ich mit bitterm Schmerz gewünscht, Ihnen immer fremd geblieben zu sein.«
Sie glitt an ihm vorbei und eilte die Treppe hinab. Er folgte ihr einige Schritte und sah ihr nach, aber sie blickte sich nicht mehr um.
Drittes Kapitel.
An diesem Tag bekam Wyncott Esden noch einen andern Besuch – einen langhaarigen, aufgeregten Mann mit langen Händen und einem fast nur aus einer Nase bestehenden Gesicht. Er hatte eine schwere Zunge und eine bedeutende Neigung, in vertraulichen Gesprächen thränenreich zu werden: der Mann hieß J. P. und schien mit dieser mangelhaften Anredeform ganz zufrieden zu sein.
»Ich hoffe, du glaubst nicht, ich wolle dich belästigen,« sagte J. P., »aber wenn du diesen Wechsel vergißt, so richtest du mich zu Grunde. Ich kann ihn so wenig decken, als ich fliegen kann.«
»Mein lieber Junge,« erwiderte Esden, »es ist auf der Herrgottswelt kein Grund vorhanden, dir Sorge zu machen. Du kannst die ganze Sache als erledigt betrachten, denn du wirst nie mehr ein Wort darüber hören.«
Der Gast versicherte, es sei ihm damit eine große Last vom Herzen genommen, und überließ Esden sich selbst.
»Ich muß wahrhaftig etwas in der Sache thun,« gestand sich dieser, »und zwar muß dies sofort geschehen, obgleich der Kuckuck wissen mag, woher das Geld kommen soll. Ich kann J. P. nicht ruinieren, das ist außer allem Zweifel, und will sofort zu Sheldon gehen.«
Entschlossen nahm er einen Wagen und fuhr nach dem Geschäftslokal eines ihm bekannten Geldverleihers, der trotz seines christlich klingenden Namens in Sprache und Aussehen außerordentlich jüdisch war.
»Brauchen Geld?« sagte er, als Esden seine Geschichte erzählt hatte. »Brauch ich auch, braucht jedermann. Es wird Ihnen vermutlich immer daran fehlen. Es sind soviel Wechsel von Ihnen auf dem Markt, daß ich keinen Pfennig für das Pfund geben würde.«
»Aber ich kann doch den andern mit dem Wechsel nicht stecken lassen!«
»Gut, dann lassen Sie ihn eben nicht stecken.«
Noch nie hatte Esden die Geschwornen so bearbeitet,wie diesen unerbittlichen Geldverleiher, allein bald wurde ihm klar, daß er eben so gut hoffen konnte, einen Diamant mit einer Federspule zu zerschneiden, als aus diesem hebräischen Quarz Gold herauszupressen, und er gab den Versuch scheinbar gutlaunig auf.
»Wenn Sie nicht wollen, müssen Sie es eben bleiben lassen.«
»Ich will nicht,« versicherte der Geldverleiher zum Ueberfluß noch einmal.
Der Anwalt ging, um seine
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