Ein gefährliches Werkzeug
dergleichen thun.«
»Mein lieber Prickett,« sagte Wyncott, bei dem sich das Bewußtsein der gesellschaftlichen Ueberlegenheit zum erstenmal bemerklich zu machen schien, »Sie dürfen diese Sache nicht allzusehr von Ihrem Standpunkt aus betrachten. Ich sprach schon gestern abend« – und damit wandte er sich an Fräulein Pharr – »in Herrn Pricketts Gegenwart die Ansicht aus, man solle eine Belohnung aussetzen unddie Summe so hoch bemessen, daß sich der Dieb zur Herausgabe seines Raubes veranlaßt sehe. Nun liegt es unzweifelhaft in Herrn Pricketts Interesse, die Untersuchung fortzusetzen, aber ich muß ihn bitten, zu bedenken, daß es ebenso unzweifelhaft in unsrem Interesse liegt, sie beendet zu sehen.«
»Entschuldigen Sie, Herr Esden,« sagte Prickett, »aber ich sehe dies nicht ein. Warum schreibt dieser Mensch an Fräulein Pharr? Weil Sie mit Ihrer Vermutung von gestern abend recht hatten – weil er die Belohnung will. Diese Leute befinden sich in schwerer Geldverlegenheit; schon die Art und Weise, wie der Diebstahl ausgeführt wurde, verriet, daß sie noch keine Erfahrung darin haben – ich habe nie schlechtere Arbeit gesehen. Dieser Brief hier beweist, daß sie nicht wissen, was sie mit den Steinen anfangen sollen. Einer, der Bescheid wüßte, könnte sicherlich fünftausend Pfund daraus lösen. Lassen Sie sie machen, so versuchen sie die Steine zu verkaufen und wir fassen die Diebe.«
»Aber, Herr Prickett,« rief Janet kläglich, »ich will ja gar keine Verfolgung, wenn ich es irgend vermeiden kann. Werden Sie nicht böse, wenn ich Ihnen sage, wie ich empfinde. Einzig und allein durch meine sträfliche Eitelkeit und Sorglosigkeit sind diese Leute in Versuchung geführt worden. Wenn ich die Sammlung um den Preis von tausend Pfund zurückbekommen kann, bin ich nur allzu froh. Und vielleicht würde der Besitz einer solchen Summe die armen Menschen vor weiterer Versuchung bewahren.«
Pricketts Lächeln war eine Mischung von achtungsvoller Bewunderung, Mitleid und Ueberlegenheit.
»Sie wollen doch damit nicht sagen, daß Sie auf diesen betrübten Vater hereinfallen, gnädiges Fräulein? Das ist eitel Schwindel und die größte Unverschämtheit obendrein.«
»Oh!« sagte Janet, »es würde mir sehr weh thun, wenn ich dies denken müßte.«
»Entschuldigen Sie, Fräulein,« gab Prickett zurück, »aber mir würde es sehr leid thun, wenn ich etwas andres dächte – da müßte ich mir sofort einen andern Beruf suchen.«
»In solchen Fallen,« sagte Elphinstone, »ist die Theorie, die sich Scotland Yard über die menschliche Natur gebildet hat, mindestens so richtig als die Ihre, Janet, wenn sie auch weniger edel ist.«
»Meine Damen und Herrn,« sagte Prickelt nun in seiner geschäftsmäßigsten Weise, »ich habe diesen Morgen telegraphiert, daß ich eine Spur gefunden habe, selbstverständlich wäre es ein Verbrechen, sie nicht zu verfolgen. Ich hatte nicht beabsichtigt, es zu zeigen, weil ich meine Entdeckung gerne noch mehr vervollständigt hätte, aber immerhin ist es auch so genug, um die Sache weiter verfolgen zu können.« Während dieser Worte knöpfte er langsam den Rock auf. »Hier ist das Werkzeug, mit dem der Einbruch ausgeführt wurde.«
Er ging auf den Tisch zu, als ob er das Werkzeug dort niederlegen wollte, aber Wyncott trat ihm entgegen und nahm es ihm aus der Hand. Die Blicke der beiden Männer trafen sich in sonderbarer Weise; Esdens Augen vergrößerten sich und die Pricketts schlossen sich halb wie in flüchtigem, aber genauem Forschen. Rasch ergriff der Anwalt das mit Leder überzogene Stück Stahl mit so gieriger Hand, daß es wie eine vibrierende Sprungfeder zitterte.
»Was hat dies zu bedeuten?« fragten Pricketts Augen, während er ohne Unterbrechung weiter sprach. »Ich kenne den Mann, der dies Werkzeug verfertigt hat, und er kennt den Menschen, dem er es überlassen hat.« Wyncott schritt mit dem Werkzeug auf das Fenster zu und untersuchte es im Gehen. Am Fenster stehend, räusperte er sich. »Wenn ich Herrn Wyncott Esden sage, daß der Mann, der es verfertigt hat, Reuben Gale heißt, so weiß er, mit wem wir es zu thun haben. Er ist ein Mann, der seine eigene Mutter um einen Sovereign verkaufen würde, falls es ihm nicht gelänge, eine Guinee für sie zu bekommen – in erster Linie würde er aber die Guinee herauszuschlagen suchen. Er rückte bis jetzt mit der Sprache noch nicht heraus, aber er hat mir heute morgen versprochen, die Sache zu überlegen. Sobald sich
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