Ein Geschenk für den Boss Kommissar Morry
bitte."
„Ja, sofort."
Es klickte in der Leitung, dann ertönte eine dunkle, männliche Stimme: „Sergeant Wynn."
„Hallo Wynnie", .sagte Baker. „Hier spricht Joe. Bist du allein im Office?"
„Flickers und Brown sind noch hier. Was gibt's?"
„Gerade wollte jemand versuchen, das Mädchen zu vergiften. Ein Mann, der sich als Arzt ausgab. Ich habe gleich Lunte gerochen und konnte das Schlimmste verhüten."
„Verdammt. Das Mädchen ist okay?"
„Ich glaube, sie hat nicht mal gemerkt, worum es ging. Der Kerl ihat den Inhalt des Glases ausgeschüttet und ist verschwunden. Ich kann dir eine genaue Beschreibung geben. Vielleicht habt ihr Glück und schnappt ihn in der Nähe des Krankenhauses."
„Schieß los", sagte Wynn.
„Er ist eins achtzig groß, ziemlich hager, das Haar ist blond, dünn, schütter; helle Augen — grau oder blau, hochangesetzte Backenknochen. Spricht wie einer aus den Nordstaaten. Trug einen Arztkittel, den er bestimmt schon abgestreift hat. Gab sich als ein Doktor Allan aus."
„Moment", meinte Wynn. „Ich geb‘ das gleich an die Streifenwagen durch und rufe dich in ein paar Minuten wieder an."
„All right."
Baker steckte sich eine Zigarette in Brand und nahm wieder auf seinem Stuhl Platz. Fünf Minuten später mußte er sich erheben, weil das Telefon summte. Er nahm den Hörer ab und meldete sich.
„Sergeant Wynn. Ich habe inzwischen alles Notwendige veranlaßt, Joe. Die Laborfritzen werden sofort die Rückstände in dem Glas untersuchen. Der Bursche muß doch seine Fingerabdrücke am Glas hinterlassen haben?"
„Ganz sicher", sagte Joe.
„Hast du eine Ahnung, wie er in das Krankenhaus reinkommen konnte?"
„Keine Ahnung. Vielleicht mit einem Nachschlüssel durch einen der Seiteneingänge, vielleicht durch ein Fenster im Erdgeschoß. Ich kann hier ja leider nicht weg; sonst hätte ich selber versucht, den Kerl zu stellen."
„Okay, Joe. Die Jungens werden gleich bei dir sein. Clive Hammer wird mitkommen."
Joe seufzte. „Und ich hatte gehofft, das würde mal 'ne nette, ruhige Nacht werden!"
6
Angelique, die nach dem Weggehen der beiden Männer sofort wieder eingeschlafen war, wurde auch nicht wach, als wenig später Joe Baker zum zweiten Mal das Zimmer betrat, um das Glas zu holen. Sie öffnete erst die Augen, als die Schwester am nächsten Morgen kam, um die Temperatur zu messen.
„Na, wie haben wir denn geschlafen?" erkundigte sich die Schwester in dem freundlich gönnerhaften Ton, der sich teils aus Routine und teils aus echtem Mitgefühl zusammensetzte.
„Danke, gut."
„Das freut mich", meinte die Schwester und schleuderte mit geübter Handbewegung das Quecksilber des Thermometers nach unten. „Der Doktor wird gleich hier sein."
Angelique blickte an die Zimmerdecke. Sie haßte die Krankenzimmeratmosphäre, sie hatte sie immer gehaßt, schon als Kind, aber jetzt fühlte sie sich darin zum ersten Male wohl und geborgen. Die Welt mit ihren Schrecken und ihren Drohungen schien weit entfernt, auf der anderen Seite eines hohen, unüberwindlichen Walls.
Zwischen ihren Augen bildete sich eine steile, dünne Falte. Wie war das doch am vergangenen Abend gewesen? Undeutlich erinnerte sie sich an die merkwürdige Szene an ihrem Bett, als der Mann mit dem Polizistengesicht den Doktor daran gehindert hatte, ihr das Beruhigungsmittel zu geben.
Angeliques Herzschlag beschleunigte sich. Instinktiv spürte sie, daß diese Szene eine Gefahr verkörpert hatte, deren sie sich erst jetzt bewußt wurde. Das Gefühl der Geborgenheit schmolz dahin. Dann kam der Arzt. Ein freundlicher Mann mit weißem Haar und einem gütigen Lächeln, das im scharfen Kontrast zu seinen ernsten, forschenden Augen stand. Nach der Untersuchung sagte er: „Ein Mann ist draußen, der Sie gern einmal sprechen möchte. Sein Name ist Clive Hammer. Er ist Detektivleutnant. Fühlen Sie sich kräftig genug, seine Fragen zu beantworten?"
Nein, sie fühlte sich nicht kräftig genug, aber sie wußte, daß es keinen Sinn hatte, das Unvermeidliche auf die lange Bank zu schieben. Wer immer dieser Clive Hammer auch sein mochte, er würde wiederkommen, wieder und wieder, bis er sie gesprochen hatte. Sie konnte ihn also ebensogut auch gleich empfangen.
„Ja, ich fühle mich ganz gut", sagte sie.
Der Arzt betrachtete sie zweifelnd. „Ich werde ihm auftragen, Sie nicht länger als fünf Minuten zu belästigen!"
„Vielen Dank, Doktor."
Der Arzt ging hinaus. Dann klopfte es und Clive betrat das
Weitere Kostenlose Bücher