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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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Zeigefinger im Spiegel gewarnt: Garance, keine Scherereien mit der guten Carine, ja? Du bringst sie ausnahmsweise mal nicht auf die Palme. Doch jetzt bin ich meinen Vorsätzen untreu geworden. Es tut mir leid. Ich bin zutiefst betrübt. Sie hat uns die Freude an den Brombeeren ruiniert und unser bisschen Kindheit gleich mit. Sie geht mir dermaßen auf den Keks. Ich kann sie nicht ausstehen. Noch eine Bemerkung, und ich stopfe ihr mit Lolas Sombrero das Maul.
     
    Sie schien die aufziehende Gefahr zu spüren, denn sie schloss die Autotür und warf den Motor an. Wegen der Klimaanlage.
    Auch das nervt mich, Leute, die beim Anhalten den Motor nicht ausmachen, nur um warme Füße oder einen kühlen Kopf zu haben, aber lassen wir das. Über die Erderwärmung reden wir ein andermal. Sie hatte sich eingeschlossen, das war schon mal was. Sehen wir es positiv.
     
    Simon vertrat sich die Beine, während wir uns umzogen. Ich hatte mir also in der Passage Brady, im Multikulti-Viertel gleich bei mir um die Ecke, einen wunderschönen Sari gekauft. Er war türkis, mit Goldfäden durchwirkt und mit Perlen und winzigen Glöckchen bestickt. Ich trug ein kleines ärmelloses Oberteil, einen langen geraden Rock, sehr eng geschnitten und sehr hoch geschlitzt, und ein großes Stück Stoff, um alles zu verhüllen. Wunderschön.
    Ein paar Klunkerohrringe, sämtliche Amulette aus Rajasthan um den Hals, zehn Armbänder am rechten Handgelenk und am linken fast doppelt so viele. »Das steht dir gut«, erklärte Lola. »Unglaublich. So was kannst nur du dir erlauben. Du hast so einen hübschen Bauch, so flach, so muskulös ...«
    »He«, antwortete ich freudestrahlend, während ich ihn in Falten legte, »sechster Stock ohne Aufzug ...«
    »Bei mir haben die Schwangerschaften den Nabel eingeklammert. Du wirst schön aufpassen, ja? Du wirst dich jeden Tag eincremen ...«
    Ich zuckte mit den Schultern. So weit reichten meine Pläne nicht.
    »Machst du mir die Knöpfe zu?«, piepste sie und drehte sich um.
    Lola trug zum wiederholten Mal ihr Kleid aus grober schwarzer Seide. Sehr nüchtern, runder Ausschnitt, ärmellos und mit tausend winzigen Knöpfen auf dem Rücken, wie bei einer Soutane.
    »Du hast dich für die Hochzeit unseres lieben Hubert nicht gerade in Unkosten gestürzt«, stellte ich fest.
    Lächelnd drehte sie sich um: »Pass bloß auf...« »Was ist?«
    »Was schätzt du, was der Hut gekostet hat?« »Zweihundert?«

    Sie zuckte mit den Schultern. »Wieviel?
    »Das kann ich dir nicht sagen«, gluckste sie, »es ist zu schrecklich.«
    »Hör auf, so zu lachen, du Weib, ich krieg sonst die Knöpfe nicht zu.«
     
    Es war das Jahr der Ballerinas. Ihre waren geschmeidig und mit Schleifen, meine mit Goldplättchen.
     
    Simon klatschte in die Hände: »Auf, ihr Bluebell Girls, einsteigen bitte!«
     
    Während ich mich auf den Arm meiner Schwester stützte, um nicht zu straucheln, brummte ich:
    »Ich sag's dir, wenn dieser Drachen mich fragt, ob ich zu einem Kostümball will, stopfe ich ihr das Maul mit deinem Hut.«
     
    Carine hatte noch keine Zeit gehabt, den Mund aufzumachen, da spritzte ich vom Sitz wieder auf. Mein Rock war zu eng, und ich musste ihn ausziehen, damit er nicht riss.
    Im String-Tanga auf den Viskose-Alpaka-Sitzen fühlte ich mich ganz - erhaben.
    Wir haben uns mit meiner Puderdose geschminkt, während unsere nationale Fuchsbandwurmspezialistin im Make-up-Spiegel ihre Ohrklipps richtete. Simon flehte uns an, uns nicht alle drei gleichzeitig mit Parfüm zu besprühen.
     
    Pünktlich kamen wir in dem gottverlassenen Dorf an. Ich schlüpfte hinter dem Wagen in meinen Rock, und wir bewegten uns unter den staunenden Augen der Dörfler, die hinter den Fenstern lauerten, zum Kirchplatz.
     
    Die hübsche junge Frau in Grau und Rosa, die sich weiter hinten mit Onkel Georges unterhielt, war unsere Mama. Wir fielen ihr um den Hals und passten auf, dass ihre Küsse keine Spuren hinterließen.
    Diplomatisch, wie sie ist, hat sie zunächst ihre Schwiegertochter umarmt und ihr ein Kompliment zu ihrem Outfit gemacht, dann wandte sie sich lachend an uns:
    » Garance. Du siehst super aus! Fehlt nur noch der rote Punkt auf der Stirn!«
    »Das fehlte noch«, gab Carine ihren Senf dazu, bevor sie sich auf den armen blassen Onkel stürzte, »meines Wissens sind wir nicht beim Karneval ...«
    Lola machte Anstalten, mir ihren Hut zu reichen, und wir prusteten los.

    Unsere Mutter drehte sich zu Simon um: »Waren sie auf der ganzen Fahrt so

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