Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
unerträglich?« »Schlimmer«, bestätigte er mit ernstem Gesicht. Und fügte hinzu:
    »Und Vincent? Ist er nicht mit dir gekommen?«
    »Nein. Er arbeitet.«
    »Wo arbeitet er denn?«
    »Na, immer noch auf diesem Schloss.«
    Unser ältester Bruder war mit einem Schlag um zehn Zentimeter geschrumpft.
    »Aber - ich dachte - er hatte mir doch gesagt, dass er kommt.«
    »Ich habe versucht, ihn zu überreden, aber da war nichts zu machen. Du weißt doch, er und die Bussi-Gesellschaft ...«
    Simon wirkte verzweifelt.
    »Ich habe ein Geschenk für ihn dabei. Eine Vi-nylplatte, die nirgendwo mehr aufzutreiben ist. Außerdem wollte ich ihn so gern sehen. Ich habe ihn seit Weihnachten nicht gesehen. Jetzt bin ich richtig enttäuscht. Mensch, darauf muss ich einen trinken ...«
    Lola schnitt eine Grimasse:
    »Calamba. El ist nicht in Folm, del gute Simone ...«
    »Was du nicht sagst«, gab ich zurück und schielte nach der Miss Spielverderberin, die all unsere alten Tanten abknutschte, »was du nicht sagst.«
    »Ihr seid jedenfalls ganz bezaubernd, Mädels! Ihr werdet ihn aufmuntern, euren Bruder, und heute abend mit ihm das Tanzbein schwingen, stimmt's?«
    Und sie zog davon, um die obligatorische Begrüßungsrunde fortzusetzen.
     
    Mit dem Blick folgten wir der kleinen zarten Frau. Ihre Anmut, ihr Gang, ihr gewisses Etwas, ihre Eleganz, ihre Klasse. Eine wahre Pariserin.
     
    Lolas Gesicht hatte sich verfinstert. Zwei reizende kleine Mädchen rannten lachend hinter der Hochzeitsgesellschaft her.
    »Gut«, sagte sie, »ich glaube, ich werde Simons Beispiel folgen ...«
    Wie ein Trottel blieb ich mitten auf dem Platz zurück, die Schöße meines Saris hingen schlaff herab.
    Nicht sehr lange jedoch, da näherte sich gackernd unsere Cousine Sixtine:
    »He, Garance! Harekrishna! Willst du zu einem Kostümball, oder was?«
    Ich lächelte, so gut es ging, und verzichtete darauf, ihren schlecht gebleichten Damenbart und ihr apfel-

    grünes Christine Laure-Kostüm aus Besançon zu kommentieren.
    Nachdem sie sich wieder entfernt hatte, hängte sich Tante Geneviève an mich:
    »Mein Gott, bist du es tatsächlich, meine kleine Clémence? Mein Gott, was ist das für ein Stück Eisen in deinem Nabel? Tut das nicht richtig weh?«
     
    Okay, dachte ich, ich folge Simon und Lola in die Kneipe ...
    Sie saßen beide auf der Terrasse. Ein Bier in Reichweite, das Gesicht in der Sonne, die Beine ausgestreckt.
    Mit einem »ratsch« setzte ich mich dazu und bestellte dasselbe.
     
    Entzückt, friedlich, die Lippen mit Schaum verziert, betrachteten wir die netten Leute in der Haustür, die über die netten Leute vor der Kirche ihre Bemerkungen machten. Ein herrliches Schauspiel.
     
    »He, ist das dort hinten nicht die Neue von unserem sitzengelassenen Olivier?« »Die kleine Brünette?«
    »Nee, die Blonde neben dem Marquis und der Marquise ...«
    »Hilfe. Die ist ja noch hässlicher als die alte. Sieh nur, die Tasche!« »Ein Gucci-Imitat.«
    »Genau. Und nicht mal aus Ventimiglia. Sondern made in Peking ...«
    »Wie peinlich.«
     
    So hätten wir noch lange weitermachen können, wäre Carine nicht gekommen, um uns zu holen:
    »Kommt ihr? Gleich geht's los.«
    »Wir kommen, wir kommen ...«, sagte Simon, »ich trinke nur noch mein Bier aus.«
    »Aber wenn wir nicht sofort reingehen«, beharrte sie, »kriegen wir schlechte Plätze, und dann sehe ich nichts ...«
    »Dann geh doch schon rein. Ich komm gleich nach.«
    »Beeil dich, ja?«
    Sie war schon zwanzig Meter gegangen, da rief sie ihm zu:
    »Und besorg noch schnell etwas Reis in dem kleinen Laden dort drüben!«
    Noch einmal drehte sie sich um:
    »Aber nicht den teuren? Keinen Uncle Ben's wie letztes Mal. Für das, wofür wir ihn brauchen ...«
    »Ja, ja«, brummelte er in seinen Bart.

    In einiger Entfernung sahen wir die Braut am Arm des Herrn Papa. Bald würde sie einen Stall voller kleiner Mickymäuse haben. Wir zählten die Nachzügler und feuerten einen Ministranten an, der mit Karacho ankam und über sein Gewand stolperte.
    Als die Glocken verstummten und die Einheimischen zu ihren Wachstischdecken zurückkehrten, sagte Simon:
    »Wie gern würde ich Vincent sehen.«
    »Aber selbst wenn wir ihn jetzt anrufen«, antwortete Lola und nahm ihre Tasche hoch, »bis er hier wäre ...«
     
    In dem Moment kam ein Kleiner mit Flanellhose und Seitenscheitel vorbei, der zur Hochzeitsgesellschaft gehörte. Simon sprach ihn an:
    »He du! Willst du dir fünf Flipperrunden

Weitere Kostenlose Bücher