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Ein Gesicht in der Menge

Ein Gesicht in der Menge

Titel: Ein Gesicht in der Menge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ist angelerntes Verhalten, weißt du?»
    Diese Kritik hatte Evers schon oft, auf vielfältige Weise, zu hören bekommen, und seine Aufmerksamkeit ließ nach. Zwischen Moore und Papi stand es drei zu zwei.
Keine roten Socken
, hatte Staats gesagt. Sollte Matt Moore tatsächlich ein perfektes Spiel hinlegen?
    «Du hast dich immer nur um deine Arbeit gekümmert und viel zu wenig um uns. Du hast gedacht, wenn du die Brötchen ranschaffst, reicht das.»
    Hab ich doch auch
, hätte er fast gesagt.
Ich hab doch Brötchen geholt. Erst heute Abend.
    «Dean? Hörst du mich? Verstehst du, was ich dir sagen will?»
    «Ja», sagte Evers im selben Augenblick, als Moores Pitch in die äußerste Ecke ging und der Schiedsrichter gegen Ortiz entschied.
«Ja!»
    «Dieses Ja kenne ich! Verdammt noch mal, guckst du schon wieder dieses bescheuerte Spiel?»
    «Natürlich sehe ich mir das Spiel an.» Doch im Moment lief gerade Autowerbung. Ein grinsender Mann – jemand, der zweifellos wusste, wie man die Dinge anpackt – fuhr mit halsbrecherischem Tempo durch Schlamm.
    «Ich weiß gar nicht, warum ich angerufen hab. Du bist ein hoffnungsloser Fall.»
    «Stimmt doch gar nicht», sagte Evers. «Du fehlst mir.»
    «Mein Gott, warum mache ich mir überhaupt Gedanken? Vergiss es. Mach’s gut!»
    «Warte!», sagte er.
    «Ich hab versucht, nett zu sein – das war schon immer so. Ich hab versucht, nett zu sein, und guck nur, wohin es mich gebracht hat. Leute wie du nutzen so was aus. Mach’s gut, Dean.»
    «Ich liebe dich», sagte er noch einmal, doch sie hatte schon aufgelegt, und als das Spiel wieder lief, saß die Frau mit dem glitzernden Top auf Ellies Platz. Die Frau mit dem Glitzertop war im Tropicana Field Stammgast. Manchmal war das Top blau, manchmal grün, aber immer glitzerte es. Wahrscheinlich damit die Leute zu Hause sie leichter entdeckten. Sie winkte, als könnte sie seine Gedanken lesen. Evers winkte zurück. «Ja, Schlampe, ich seh dich. Du bist im Fernsehen, Schlampe, echt toll.»
    Er stand auf und schenkte sich einen Scotch ein.
    Im Neunten gelang Ellsbury auf der rechten Seite ein perfekter Single, und die Zuschauer erhoben sich und beklatschten Moore für seine Leistung. Evers schaltete den Fernseher aus, saß vor dem dunklen Bildschirm und ließ sich Ellies Worte durch den Kopf gehen.
    Im Gegensatz zu Soupy Embree hatte Ellie mit ihrer Anschuldigung recht.
Größtenteils
, ergänzte er und änderte es dann in
zumindest teilweise
. Sie kannte ihn so gut wie niemand sonst auf der Welt – dieser oder jeder anderen Welt –, doch sie war nie bereit gewesen, ihm die verdiente Anerkennung zu zollen. Schließlich war er es gewesen, der die ganzen Jahre ziemlich gut verdient und den Kühlschrank gefüllt hatte. Er hatte auch den Kühlschrank bezahlt – einen spitzenmäßigen Sub-Zero, herzlichen Dank auch. Er hatte ihren Audi bezahlt. Ihren Beitrag für den Tennisclub. Ihren Masseur. Das ganze Zeug, das sie aus Katalogen bestellte. Und, nicht zu vergessen, Patricks Studiengebühren! Evers war während seines eigenen Studiums auf eine unzureichende Mischung aus Stipendien, Darlehen und beschissenen Ferienjobs angewiesen gewesen, aber Patrick hatte von seinem Alten alles bezahlt bekommen. Dem Alten, den er jetzt nicht anrufen konnte, weil er zu beschäftigt war.
    Sie steht von den Toten auf, und wozu? Um sich zu beklagen. Und zwar mit dem verdammten iPhone, das ich bezahlt habe.
    Ihm fiel die Redensart ein, die er Ellie gern gesagt hätte und für die es jetzt leider zu spät war: «Geld macht nicht glücklich, aber es erlaubt einem, auf angenehme Weise unglücklich zu sein.»
    Dann hätte sie vielleicht die Klappe gehalten.
    Je länger er über ihr gemeinsames Leben nachdachte – und um über so etwas nachzudenken, gab es nichts Besseres, als mit seiner toten Gattin zu reden, während man sie auf einem so teuren Platz sitzen sah –, umso mehr gelangte er zu der Überzeugung, dass er zwar nicht perfekt, aber auch nicht so schlecht gewesen war. Er hatte sie und Patrick geliebt und sich immer bemüht, nett zu ihnen zu sein. In der Überzeugung, das Richtige zu tun, hatte er geschuftet, um ihnen alles bieten zu können, was er selbst nie gehabt hatte. Wenn das nicht genügt hatte, konnte er es jetzt nicht mehr ändern. Und was die Sache mit Martha betraf … manche Arten von Sex waren bedeutungslos. Männer begriffen so was – Kaz hätte es ganz bestimmt begriffen –, aber Frauen nicht.
    Während er im Bett in ein seliges

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