Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
in Kalumburu, einer Aborigine-Mission im äußersten Norden, zu Hause.
Viehzucht hatte hier eine lange Tradition. Auf riesigen Farmen wurden Rinder gezüchtet. Das ganze Jahr über überließ man die Tiere auf den großen Weideflächen sich selbst, bis zu dem Tag, an dem die Stockmen, die australischen Cowboys, sie mit Pferden, Geländewagen und Hubschraubern zusammentrieben.
Daryl war in einer Aborigine Community in Zentralaustralien aufgewachsen, wo seine Eltern einen Laden und eine Tankstelle führten. Schon als kleiner Junge hatte er reiten gelernt. Er liebte Pferde und konnte es kaum erwarten, sich wieder in den Sattel zu schwingen. Noch mehr freute er sich aber aufs Fliegen.
In Perth hatte er dazu nicht oft Gelegenheit gehabt. Zudem war Hubschrauberfliegen ein ziemlich teures Hobby. Um seine Lizenz zu behalten, musste er regelmäßig Flugstunden absolvieren. Es kam ihm deshalb sehr gelegen, dass auf der Mount-Keating-Station dringend ein Helikopterpilot gebraucht wurde. Zwar hatte er keine Erfahrung im Zusammentreiben von Rindern, aber er hoffte, dass das nicht allzu schwierig sein würde.
Der Mann, der Daryl abholte, lehnte lässig am Rammschutz seines Geländewagens. Er war etwas älter, groß und spindeldürr.
Als sich Daryl vom Piloten verabschiedet hatte und durch den aufgewirbelten Staub, der über der Buschpiste lag, auf den Mann zuging, setzte dieser ein breites Lächeln auf.
»Sie sind bestimmt der Neue. Simmons, richtig?«
»Richtig. Aber nennen Sie mich Daryl, okay?«
Das Lächeln wurde noch breiter. Der Mann stieß sich vom Fahrzeug ab und streckte ihm die Hand entgegen. »Freut mich, Daryl. Ich bin Poison-Joe.«
Poison-Joe hatte nicht nur die größten Hände, die Daryl je gesehen hatte, er konnte damit auch wie mit einem Schraubstock zupacken.
»Tut mir leid, dass Sie nicht gleich bei uns auf der Mount-Keating-Station landen konnten. Die letzte Regenzeit hat der Piste arg zugesetzt, und wir hatten noch keine Zeit, sie instand zu setzen.«
Daryl hatte das Gefühl, seine Finger würden gleich zu Staub zerfallen. Er setzte ein gequältes Lächeln auf. »Kein Problem. Bei einer Fahrt durch den Busch lässt’s sich viel besser plaudern als im Flugzeug.«
Während sie auf dem holprigen und staubigen Weg Richtung Norden fuhren, passierten sie eine ziemlich eintönige Landschaft. Meterhohes Speergras, dahinter lichter Wald aus Silbereichen, stattlichen Blutholzbäumen, verschiedenen Eukalyptusarten und vereinzelten Kimberley-Palmen, zogen wie eine immer gleiche Filmkulisse an ihnen vorbei. Die einzige Abwechslung bot die Durchquerung einiger Flussläufe, die jetzt, zu Beginn der Trockenzeit, kaum mehr knietief Wasser führten.
Während sie sich zwanglos unterhielten, beobachtete Daryl den Mann neben sich. Poison-Joe hatte helle, rot geränderte Augen und ein schmales Gesicht, das von einem struppigen, ingwerfarbenen Bart eingerahmt wurde. Seine Haut war von Sonne und Wind gegerbt wie brüchiges Leder, wodurch sein Alter schwer zu schätzen war. Doch Daryl kannte sich mit den Menschen im Outback aus und war sich ziemlich sicher, dass er nicht älter als sechzig war, auch wenn manch anderer ihn wahrscheinlich für älter halten würde. Auch Daryl konnte man auf den ersten Blick auf vierzig Jahre schätzen, obwohl er die Dreißig gerade erst überschritten hatte. Wie Poison-Joe hatte er die meiste Zeit seines Lebens im Freien verbracht, sodass seine Haut fast so braun wie die eines Mischlings war und sein Gesicht, besonders um die Augen, einige markante Fältchen aufwies.
Poison-Joe erzählte, dass er viele Jahre im Südwesten gelebt hatte, wo er erst als Dingo-, dann als Kaninchenjäger sein Geld verdiente. Dieser Zeit verdankte er auch seinen Spitznamen.
»Sie haben mit Giftködern gearbeitet?«, fragte Daryl interessiert.
»Nicht bei den Wildhunden. Denen habe ich mit Fallen und meiner alten, treuen Betty nachgestellt.«
»Ihrem Hund?«
»Ne, Betty, meiner einschüssigen Winchester, Kaliber 44.«
»Eine robuste und zuverlässige Waffe.« Daryl schmunzelte.
»Allerdings. Heutzutage benutzen die Leute aber lieber ein modernes Jagdgewehr mit Zielfernrohr.« Er seufzte. »Bin eben noch von der alten Schule. Fand es immer spannender, wenn die Tiere auch eine Chance haben.«
»Und wie war das bei den Kaninchen?«
»Oh, die waren wirklich eine Plage, kann ich Ihnen sagen. Selbst in den Siebzigern haben sie noch ganze Landstriche kahl gefressen. Die saßen so dicht beieinander, mit
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