Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
griff nach Papier und Bleistift und kritzelte eine Notiz. Als er Daryl das Blatt über den Tisch hinweg zuschob, sah er ihm fest in die Augen. »Ich stelle Sie für drei, nein, sagen wir vier Wochen, vom Dienst frei. Machen Sie Urlaub und denken Sie in Ruhe über alles nach.«
Daryl kniff die Augen zusammen. Er betrachtete das Blatt und die Adresse, die sein Vorgesetzter aufgeschrieben hatte. »Und was ist damit?«
»Martin Barrow, ein Freund. Er hat eine Rinderstation in den Kimberleys. Ich hab ihm von Ihnen erzählt und gesagt, dass Sie ihn besuchen kommen.« Er lächelte maliziös. »Sie mögen doch den wilden Norden?«
Daryl wusste nicht, ob er verärgert oder amüsiert sein sollte. Schließlich nickte er zögernd.
»Schön.« Der Chief Inspector widmete sich wieder seinen Akten. Mit einer Handbewegung gab er Daryl zu verstehen, dass er das Gespräch als beendet betrachtete.
Daryl stand auf und wandte sich grinsend um.
»Ach, fast hätte ich’s vergessen«, rief Garratt, als Daryl die Tür erreichte. »Sie haben doch eine Hubschrauber-Fluglizenz, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ausgezeichnet. Martins Vorarbeiter und Pilot ist verschwunden. Interessante Geschichte. Lassen Sie sich von Rachel die Akte geben. Und nun raus hier, ich habe zu tun.«
Daryl verließ das Polizeihauptquartier in Perth und machte sich auf den Weg nach Hause, um für seine Reise in die Kimberleys zu packen.
Mit Garratt über seine Gefühle zu sprechen, hatte ihm gutgetan, wenngleich er ihm längst nicht alles gesagt hatte, was ihn bedrückte.
Daryl vermisste die Ruhe und Weite des Outbacks, vor allem aber die Menschen, die dort lebten. Sie besaßen ein großes Herz, waren direkt und ehrlich. Ganz anders als in der Stadt. Hier dachten die Menschen in erster Linie an sich, hatten nie Zeit und ständig das Gefühl, etwas zu verpassen. Und noch etwas trieb ihn zurück ins Outback, wann immer er ein paar Tage freihatte. Irgendwo dort draußen war seine Verlobte Michelle gestorben, und dort fühlte er sich ihr am Nächsten. Nur achtzehn Monate hatten sie sich gekannt. Es war die intensivste und glücklichste Zeit seines bisherigen Lebens gewesen. Dann hatte das Schicksal zugeschlagen. Er vermisste Michelle noch immer sehr. Das lag wohl auch daran, dass er nie richtig hatte Abschied nehmen können. Er hatte ihren Entführer und Mörder gejagt und schließlich überführt, Michelles Leiche wurde jedoch nie gefunden. Vermutlich war auch das einer der Gründe, weshalb es ihn zurück in den Busch zog.
Daryl verließ die Hay Street und schlenderte durch den Queens Garden. Seine Gedanken wanderten zurück zu seinem Vorgesetzten, und er musste lachen. Die Killertomate hatte ihn ganz schön reingelegt. Bevor er das Revier verlassen hatte, hatte er die Akte durchgesehen. Ein unter mysteriösen Umständen verschwundener Vorarbeiter, ein geheimnisvolles einäugiges Krokodil und einige sich merkwürdig verhaltende Stockmen. Dieser Urlaub könnte interessant werden, das sagte ihm sein Gefühl.
2
Die Cessna 206 war in Derby, dem Verwaltungszentrum des Kimberley-Gebietes, gestartet. Ihr Ziel war die 370 Kilometer entfernte Drysdale River Station. Dort sollte einer von Martin Barrows Männern Daryl mit dem Geländewagen abholen und zur Farm bringen, die 130 Kilometer weiter im Nordosten lag.
Die meiste Zeit folgte die einmotorige Maschine der Gibb River Road, einer holprigen Piste, die sich durch eines der spektakulärsten, gleichzeitig aber auch unwirtlichsten und einsamsten Gebiete Australiens schlängelte. Unter ihnen zogen die King Leopold Ranges vorbei, deren gefaltete Sandsteinschichten in der Morgensonne rotgolden aufleuchteten. Im Nordosten konnte man schon den Mount Ord sehen, dessen abgeflachter, bröckeliger Gipfel den höchsten Punkt der Kimberleys bildete. Das ganze Land war mit einem Flechtwerk aus kurzen und langen Flusssystemen durchzogen, die es auch in den Trockenmonaten mit dem für die Rinderzucht so wichtigen Wasser versorgten. Während der Monsunzeit überflutete der Regen dagegen regelmäßig große Gebiete der Region. Die sonst friedlich dahinfließenden Wasserläufe schwollen zu reißenden Strömen an, und mancherorts stürzten wild brodelnde Wasserfälle von spektakulären Hochplateaus. Die ohnehin abgelegenen Farmen wurden dann oft für Wochen von der Umwelt abgeschnitten.
In diesem Gebiet lebten nur wenige Menschen. Die meisten von ihnen arbeiteten auf den weit auseinanderliegenden Viehstationen, oder waren
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