Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Aber wir versuchen eine vertretbare Durchlässigkeit zwischen Städten einer vergleichbaren intellektuellen Ebene herzustellen. Wir halten das für eine gesunde Sache.«
»Würde es die Durchlässigkeit nicht verbessern, wenn Sie zum Nachtwandeln zwischen den Städten ermutigen würden?«
Mattern runzelt die Stirn. »Wir ziehen es vor, uns dabei auf unsere nächste Umgebung zu beschränken. Gelegentlicher Sex mit Partnern aus anderen Städten gilt als das Kennzeichen einer schmutzigen Seele.«
»Ich verstehe.«
Sie betreten einen großen Raum. Mattern sagt: »Das ist ein Schlafraum für Neuvermählte. Es gibt solche Räume alle fünf oder sechs Ebenen. Wenn sich Heranwachsende zu Paaren finden, dann verlassen sie das Heim ihrer Familie und ziehen hier ein. Sobald sie ihr erstes Kind haben, erhalten sie eine eigene Wohnung.«
Überrascht fragt Gortman: »Aber wo nehmen Sie den Platz für sie alle her? Ich gehe davon aus, daß jeder Raum in diesem Gebäude besetzt ist, und Sie können unmöglich mehr Todesfälle als Geburten haben, also – wie…?«
»Todesfälle machen natürlich Wohnungen frei. Wenn Ihr Partner stirbt und Ihre Kinder erwachsen sind, dann ziehen Sie in einen Schlafraum für Senioren um und schaffen damit Raum für eine neue Familieneinheit. Aber Sie haben natürlich recht, wenn Sie annehmen, daß die meisten Jungen keine Unterkunft mehr in diesem Gebäude finden, da wir jährlich etwa zwei Prozent neue Familien bilden und die Todesraten weit darunter liegen. Da neue Urbmons gebaut werden, übersiedeln wir den Überschuß aus den Schlafräumen für Neuvermählte dorthin. Und das in großer Zahl. Es soll hart sein, ausgesiedelt zu werden, wie sie sagen, aber das wird dadurch kompensiert, daß man zur ersten Gruppe in einem neuen Gebäude gehört. Man gewinnt dadurch automatisch an Status. Und so geben wir ständig einen Überfluß an Leben ab, setzen unsere Jugend aus, um völlig neu geformte soziale Einheiten zu schaffen – faszinierend, nicht wahr? Haben Sie meine Arbeit Strukturelle Verwandlung der Urbmon-Bevölkerung gelesen?«
»Ich fürchte, ich bin noch nicht auf sie gestoßen«, gibt Gortman zurück. »Ich werde sie mir auf jeden Fall noch ansehen.« Er sieht sich im Schlafraum um. Ein Dutzend Paare treiben auf einer nahe gelegenen Plattform Geschlechtsverkehr. »Sie wirken so jung«, sagt er.
»Die Pubertät setzt bei uns schon relativ früh ein. Mädchen heiraten gewöhnlich mit zwölf, Jungen mit dreizehn. Ihr erstes Kind bekommen sie etwa ein Jahr später, so Gott es will.«
»Und niemand bemüht sich, die Fertilität unter Kontrolle zu halten?«
»Die Fruchtbarkeit kontrollieren?« Mattern legt die Hand schützend vor seine Genitalien, so sehr erschrickt er vor dieser unerwarteten Obszönität. Einige der kopulierenden Paare halten inne und blicken erstaunt auf. Jemand kichert. Mattern sagt: »Sprechen Sie das bitte nie wieder aus. Vor allem nicht, wenn Kinder in der Nähe sind. Wir denken nicht in – äh – Begriffen von Kontrolle und dergleichen.«
»Aber…«
»Wir halten das Leben für heilig. Es ist segensreich, neues Leben zu schaffen. Indem wir uns vermehren, erfüllen wir unsere Pflicht vor Gott.« Mattern lächelt; er spürt, daß sich seine Worte etwas zu pathetisch anhören. »Es zeichnet den Menschen aus, daß er Probleme durch Anwendung seiner Intelligenz zu lösen versucht, nicht wahr? Und ein entscheidendes Problem ist das der vielfachen Bevölkerungszunahme in einer Welt, die Krankheiten und Seuchen besiegt und den Krieg für immer abgeschafft hat. Wir könnten wohl auch die Zahl der Geburten begrenzen, aber das wäre ein billiger, ein kranker, ein inhumaner Ausweg. Tatsächlich haben wir das Problem der Überbevölkerung auf eine stolze Weise bewältigt, würden Sie das nicht auch sagen? Und so fahren wir fort, uns mit Freude zu vermehren, nehmen jährlich um drei Milliarden zu und haben dennoch genug Raum für jeden und genug Nahrung für jeden. Nur wenige sterben, viele werden geboren, die Welt füllt sich, Gott gibt seinen Segen, unser Leben ist erfüllt und angenehm, und, wie Sie sehen, sind wir alle recht glücklich dabei. Wir sind über das infantile Bedürfnis hinaus gereift, trennende Mauern zwischen den Menschen zu errichten. Warum sollten wir nach draußen gehen? Warum uns nach Wüsten und Wäldern sehnen? Uns genügen die Universen, die Urbmon 116 für uns bereithält. Die Warnungen der Untergangspropheten haben sich als Schall und Rauch erwiesen.
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