Ein Grieche für alle Fälle (Jenseits des Olymps - Buch 1) (German Edition)
Leidenschaft oder Lust. Und die Art, wie er sie gehalten hatte in jener Nacht, nachdem der Ventilator heruntergefallen war – kein Mann hatte sie jemals so gehalten. Er war um sie besorgt gewesen. Sie hatte es gespürt.
Oder hatte er diesen Teil auch vorgespielt? Hatte er die Unfälle angezettelt, sodass sie sich in ihrer Angst an ihn wenden würde? Sodass er den Helden spielen und sie retten konnte? Ein Schauer durchfuhr sie bei diesem Gedanken. Nein, sie wollte das nicht glauben. Und außerdem hatten weder der Installateur noch der Elektriker herausgefunden, dass jemand den Ventilator oder die Dusche manipuliert hatte. Seine Freunde hatten es bestätigt. Seine Freunde? Was, wenn sie für ihn gelogen hatten, um die Sache zu vertuschen? Sie könnten seine Komplizen gewesen sein.
Ihr Herz schlug wie verrückt gegen ihre Brust. Nein, es war nicht gut, an so etwas zu denken, da sie doch nie die Wahrheit herausfinden würde. Sie musste die Vergangenheit ausblenden, vergessen was geschehen war. Sie hatte es schon einmal getan, und sie konnte es wieder tun.
Sophia nahm ein paar kräftigende Atemzüge. Sie würde durchkommen, diese Enttäuschung vergessen, genau wie sie andere schlechte Erfahrungen hinter sich gelassen hatte. Sie würde stark sein.
Als sich die Tür zum Untersuchungsraum öffnete und Dr. Zimmerman eintrat, schob Sophia alle negativen Gedanken aus ihrem Kopf.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, sagte er und schloss die Tür hinter sich.
Als er sich räusperte und näher kam, fühlte Sophia, wie sich ihre Brust verengte. Ein Gefühl der Vorahnung schlug ihr aus dem Nichts entgegen.
„Miss Baker, ich habe mit meinem Kollegen Dr. Norbert gesprochen, und wir sind beide zu dem gleichen Schluss gekommen.“ Er hielt inne. „Es ist nicht einfach, das zu sagen. Was ich heute durch das Objektiv sehen konnte, ist leider schlüssig ...“
„Dr. Zimmerman, bitte, sagen Sie mir, wie lange es dauern wird, bis alles ganz heilt. Wenn es länger dauert, als Sie zuerst erwartet haben, werde ich das akzeptieren. Aber geben Sie mir doch einen Zeitrahmen, damit ich planen kann.“ Sophia brauchte eine feste Antwort. Wenn ihr Fortschritt langsamer voranging als zunächst angenommen, würde sie jemanden einstellen müssen, um die Renovierungen zu beaufsichtigen.
Als der Arzt ihre Hand nahm und sie drückte, schoss Adrenalin durch ihren Körper. Irgendetwas stimmte nicht.
„Es tut mir leid, aber die Operation war ein Fehlschlag. Das Gewebe ist zu schwach, um eine Wiederbefestigung Ihrer Netzhaut zu ermöglichen. Es wächst nicht an. Die Kanten fransen bereits wieder aus, da wo wir den Laser verwendet haben. Zwischen dem optischen Nerv und der Netzhaut hat sich Flüssigkeit zu sammeln begonnen. Das wird den Prozess nur beschleunigen.“
„Welchen Prozess?“ Sophia spürte ihren Atem stocken.
„Miss Baker, die Netzhaut an beiden Augen trennt sich wieder ab. Die Flecken, die Sie sehen, werden immer größer, und innerhalb von ein paar Wochen wird die wenige Sehkraft, die sie noch haben, permanent verschwunden sein.“
Ihre Welt stand still. Nichts bewegte sich. Alles, was sie hören konnte, war das Geräusch ihres Herzschlags. Laut wie eine Trommel in ihren Ohren. Jeder Schlag war wie eine kleine Explosion. Und jede Explosion betäubte sie mehr.
Permanent.
Das Wort klang in ihren Ohren.
Blind für immer.
Sie packte die Armlehne und versuchte, sich von ihrem Stuhl zu erheben. Ihre Bewegungen waren automatisch, wie ein Roboter, ein bloßer Reflex ihres Körpers. Sie fühlte sich, als stünde sie neben sich, als beobachte sie sich selbst, wie sie auf wackeligen Beinen zu stehen versuchte. Als ob sie damit etwas ändern konnte. Aus dem Untersuchungszimmer zu flüchten würde die Diagose nicht ändern.
„... eine weitere Operation“, drang die Stimme des Arztes durch den Nebel in ihrem Kopf, „... nur eine zehnprozentige Chance auf Erfolg ...“
Der Raum begann, sich vor ihr zu drehen, dann wurde es dunkel.
„Miss Baker.“ Die besorgte Stimme des Arztes.
Ihre Knie gaben nach, und all ihre Kraft verließ sie. Als die Dunkelheit kam, kämpfte sie dagegen an, verlor jedoch den Kampf. Das Letzte, was sie fühlte, waren die Arme des Arztes, als er sie auffing.
30
Hermes fand die Tür zu Zeus’ Büro nur angelehnt. Es kam nicht oft vor, dass er seinen Vater besuchte, aber es gab Zeiten, in denen auch er sich in die Höhle des Löwen wagte, ohne gerufen worden zu sein. Dies war einer
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