Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
füttert dich durch? Wer versorgt dich mit Geld fürs Roulette? Überleg doch, von wem nimmst du so schamlos Geld?«
Meine Mutter errötete vor Scham so tief, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte. Das traf mich bis ins Innerste.
»Wenn ich Geld ausgebe, so gebe ich mein eigenes Geld aus und bin niemand Rechenschaft schuldig«, ich wurde puterrot, aber meine Antwort klang scharf.
»Wieso eigenes? Was für eigenes?«
»Wenn auch nicht meines, so doch das von Andrej Petrowitsch. Er wird es mir nicht abschlagen … Ich habe beim Fürsten a conto seiner Schulden bei Andrej Petrowitsch geliehen …«
»Mein Freund«, sagte plötzlich Werssilow mit fester Stimme, »dort schuldet man mir nicht eine Kopeke.«
Der Satz war äußerst gravierend. Mir verschlug es die Sprache. Oh, selbstverständlich, wenn ich mir meine damalige paradoxe und sträfliche Stimmung vergegenwärtige, dann wäre es mir möglich gewesen, mich mit irgendeiner »vornehmen« Geste oder einer hochtönenden Redensart oder etwas Ähnlichem aus der Affäre zu ziehen, aber plötzlich bemerkte ich in Lisas finsterem Gesicht einen bösen, ungerecht vorwurfsvollen Ausdruck, fast wie Hohn – und schon ritt mich der Teufel.
»Sie, meine Gnädige, scheinen häufig Darja Onissimowna in der Wohnung des Fürsten zu besuchen? Hätten Sie vielleicht die Güte, ihm höchstpersönlich diese dreihundert Rubel zu übergeben, derentwegen Sie mich heute bereits getadelt haben!«
Ich zog das Geld aus der Tasche und hielt es ihr hin. Man mag es mir glauben oder nicht – diese niederträchtigen Sätze wurden damals völlig absichtslos gesagt, das heißt, sie enthielten nicht die leiseste Anspielung. Eine solche Anspielung wäre auch ausgeschlossen gewesen, weil ich in jenem Augenblick völlig ahnungslos war. Vielleicht hatte sich in mir nur der Wunsch geregt, ihr einen vergleichsweise unschuldigen Stich zu versetzen, etwa: Aber was denkt sich das Fräulein, daß sie sich in fremde Angelegenheiten einmischt, möchte die junge Dame nicht, wenn es ihr so sehr darum zu tun ist, diesen Fürsten, einen jungen Herrn, einen Petersburger Offizier, persönlich aufsuchen und es ihm überreichen, »wenn sie so darauf brennt, sich in die Angelegenheiten junger Herren einzumischen«. Aber wie groß war mein Erstaunen, als Mama plötzlich aufsprang und mir mit drohend erhobenem Zeigefinger zurief:
»Untersteh dich! Untersteh dich!«
Etwas Ähnliches hätte ich mir von ihr nicht einmal vorstellen können, ich sprang ebenfalls auf, nicht nur vor Schreck, sondern vor Schmerz, eine qualvolle Wunde im Herzen, durch die plötzliche Ahnung, daß etwas Furchtbares geschehen war. Aber Mama hielt es nicht länger aus: Sie schlug die Hände vors Gesicht und verließ schnell das Zimmer. Lisa, ohne mich eines Blickes zu würdigen, folgte ihr. Tatjana Pawlowna musterte mich schweigend, eine gute halbe Minute.
»Wolltest du etwa wirklich Feuer legen?« rief sie rätselhaft aus, wobei sie mich mit tiefster Verwunderung ansah, wandte sich aber um, ohne meine Antwort abzuwarten, um den anderen nachzulaufen. Werssilow stand mit einer feindseligen, beinahe bösen Miene vom Tisch auf und holte in der Ecke seinen Hut.
»Ich nehme an, daß du keineswegs dumm bist, sondern nur unschuldig«, knurrte er mir spöttisch zu. »Wenn sie zurückkommen, richte ihnen aus, daß sie mich zum Nachtisch nicht erwarten sollen: Ich will ein wenig an die frische Luft.«
Ich blieb allein; zuerst wunderte ich mich, dann fühlte ich mich beleidigt, und schließlich sah ich ganz klar ein, daß es an mir lag. Freilich, ich hatte keine Ahnung, worin eigentlich meine Schuld bestand, aber ich spürte irgend etwas. Ich setzte mich ans Fenster und wartete. Nachdem ich etwa zehn Minuten gewartet hatte, holte ich ebenfalls meinen Hut und ging hinauf, in mein früheres Stübchen. Ich wußte, daß sie, das heißt Mama und Lisa, dort waren und daß Tatjana Pawlowna bereits gegangen war. So war es auch, ich fand beide auf meinem Sofa, flüsternd. Bei meinem Erscheinen hörten sie sofort auf zu flüstern. Zu meinem Erstaunen waren sie mir nicht böse; Mama jedenfalls lächelte mir zu.
»Ich bin schuld, Mama …«, begann ich.
»Schon gut, schon gut, es ist nicht schlimm«, unterbrach mich Mama, »ihr sollt nur einander lieben und euch niemals streiten, dann wird Gott euch auch Glück bescheren.«
»Er wird mich niemals beleidigen wollen, Mama, das habe ich Ihnen doch gesagt«, sagte Lisa überzeugt und mit Gefühl.
»Wäre
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