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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Mitleid um sie alle schmerzhaft zusammen. »Wie grausam sind doch ihre Herzen! Auch Lisas, was hat sie nur?« dachte ich, als ich auf die Vortreppe trat.
    Ich entließ Matwej und befahl ihm, mich abzuholen, um neun Uhr in meiner Wohnung.

Fünftes Kapitel
    I
    Zum Essen hatte ich mich verspätet, aber sie hatten sich noch nicht zu Tisch gesetzt, sondern auf mich gewartet. Vielleicht, weil ich überhaupt selten bei ihnen zu Mittag aß, waren besondere Vorbereitungen getroffen worden. Es gab eine Vorspeise mit Ölsardinen und ähnliches. Aber zu meinem Erstaunen und Kummer traf ich sie alle irgendwie besorgt und unfroh an: Lisa lächelte kaum bei meinem Anblick, und Mama war sichtlich besorgt; Werssilow lächelte zwar, aber angestrengt. “Haben sie etwa gestritten?” ging es mir durch den Kopf. Am Anfang übrigens lief alles noch recht gut: Werssilow rümpfte nur ein wenig die Nase über die Suppe mit Klößchen und schnitt eine Grimasse, als die Srázy serviert wurden.
    »Ich brauche nur einmal darauf aufmerksam zu machen, daß mein Magen eine bestimmte Speise nicht verträgt, damit sie am nächsten Tag auf dem Tisch steht«, kommentierte er ärgerlich.
    »Wie soll man sich immer ein neues Gericht ausdenken?« antwortete Mama schüchtern.
    »Deine Mutter ist das vollkommene Gegenteil mancher unserer Zeitungen, für die nur das Neue gut ist«, Werssilow versuchte es mit einem möglichst spielerischen und wohlwollenden Witz; aber er hatte kein Glück damit und erschreckte Mama nur noch mehr, die selbstverständlich den Vergleich zwischen sich und den Zeitungen nicht verstand und nur unsicher dreinschaute. In diesem Augenblick trat Tatjana Pawlowna herein, erklärte, sie habe bereits gegessen, und setzte sich neben Mama auf das Sofa.
    Es war mir immer noch nicht gelungen, die Sympathie dieser Dame zu gewinnen; im Gegenteil, sie attackierte mich noch wütender, stets, bei jeder Gelegenheit. Ihr Unwille gegen mich hatte sich ganz besonders in der letzten Zeit verstärkt: Sie konnte den Anblick meiner modischen Kleidung nicht ertragen, und Lisa hatte mir erzählt, daß sie beinahe in einem Anfall zusammengebrochen wäre, als sie erfuhr, ich hielte mir einen Droschkenkutscher. Ich setzte dem ein Ende, indem ich auch nur die Möglichkeit einer Begegnung mit ihr vermied. Vor zwei Monaten, nach dem Verzicht auf das Erbe, hatte ich sie kurz besucht, um mit ihr über Werssilows Großmut zu schwärmen, fand aber nicht die leiseste Unterstützung; ganz im Gegenteil: Sie war furchtbar gereizt. Es mißfiel ihr durchaus, daß er auf das Ganze und nicht nur auf eine Hälfte verzichtet hatte; und mir warf sie mit aller Schärfe vor:
    »Ich möchte wetten, daß du davon überzeugt bist, er habe das Geld zurückgegeben und sich duellieren wollen einzig und allein, um in der Meinung von Arkadij Makarowitsch noch mehr zu steigen.«
    Und doch, sie hatte fast ins Schwarze getroffen: Tatsächlich, ich hatte damals eigentlich etwas Ähnliches empfunden. Ich spürte sofort bei ihrem Eintreten, daß sie unbedingt über mich herfallen würde; ich war sogar einigermaßen überzeugt, sie sei eigens dazu gekommen, und darum gab ich mich plötzlich ganz besonders ungezwungen; dies fiel mir auch nicht besonders schwer, weil ich immer noch, seit vorhin, voller Freude und strahlender Laune war. An dieser Stelle sei ein für allemal angemerkt, daß eine ungezwungene Haltung mir lebenslang nicht zu Gesicht stand, sondern immer mit einer Blamage endete. So auch jetzt: Ich verbrannte mir wieder einmal den Mund; ohne jede böse Absicht; ohne auf meine Worte auch nur zu achten, da ich von Anfang an bemerkt hatte, daß Lisa schrecklich verstimmt war, sprach ich sie plötzlich an, ohne weiter nachzudenken:
    »Alle hundert Jahre einmal bin ich zum Essen hier, und ausgerechnet dann bist du, Lisa, schrecklich schlechter Laune!«
    »Ich habe Kopfschmerzen«, erwiderte Lisa.
    »Ach, mein Gott«, mischte sich Tatjana Pawlowna ein, »was bedeutet das schon, daß du krank bist?! Arkadij Makarowitsch geruht zum Essen zu erscheinen, also hast du zu tanzen und zu jubilieren.«
    »Sie sind entschieden das Malheur meines Lebens, Tatjana Pawlowna; ich werde nie wieder kommen, wenn Sie hier sind!« Und ich schlug, aufrichtig verärgert, mit der flachen Hand auf den Tisch; Mama fuhr zusammen, Werssilow warf mir einen eigentümlichen Blick zu. Ich mußte plötzlich lachen und bat die Tischrunde um Entschuldigung.
    »Tatjana Pawlowna, ich nehme das Malheur zurück.« Ich wandte

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