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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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lachen …«
    »O nein, ich lache nur darüber, daß Sie so furchtbare Worte gebrauchen … Zum Beispiel, was heißt eigentlich ›hinterlistige Schlange‹?« Und sie lachte schon wieder.
    »Ihnen ist heute ein kostbares Wort entschlüpft«, fuhr ich begeistert fort. »Wie konnten Sie in meiner Gegenwart sagen, Sie hätten ›mit meiner feurigen Einbildungskraft‹ gerechnet? Selbst wenn Sie als Heilige sich zu einer eingebildeten Schuld bekannt haben, nur aus dem Wunsch, gestraft zu werden … Obwohl von einer Schuld nicht die Rede sein kann, weil, was auch immer vorgefallen sein mag, alles, was von Ihnen kommt, heilig ist! Dennoch hätten Sie gerade diesen Ausdruck, gerade diesen Ausdruck vermeiden sollen! … Gerade diese beinahe übernatürliche Herzensreinheit ist ein Beweis Ihrer höheren Keuschheit, Ihrer Achtung vor mir, Ihres Glaubens an mich!« rief ich zusammenhanglos aus. »Oh, Sie brauchen nicht zu erröten! … Wer erdreistete sich, Sie zu verleumden und zu behaupten, Sie seien eine leidenschaftliche Frau! Entschuldigen Sie: Ich sehe den gequälten Ausdruck auf Ihrem Gesicht; haben Sie Nachsicht mit einem außer Rand und Band geratenen grünen Jungen und seinen plumpen Reden! Geht es denn jetzt überhaupt noch um Reden und Ausdrücke? Stehen Sie nicht über allen Ausdrücken? … Werssilow sagte einmal, Othello habe nicht aus Eifersucht erst Desdemona umgebracht und anschließend sich selbst, sondern weil man ihm sein Ideal genommen habe! … Ich habe das verstanden, weil auch ich mein Ideal verloren und heute zurückbekommen habe!«
    »Ihr Lob ist übertrieben: Ich bin es nicht wert«, sagte sie mit Gefühl. »Erinnern Sie sich, was ich Ihnen über Ihre Augen gesagt habe?« fügte sie scherzend hinzu.
    »Daß ich keine Augen hätte, sondern an deren Stelle zwei Mikroskope und daß ich jede Fliege als ein Kamel sähe. Aber hier kann von einem Kamel nicht die Rede sein! … Wie, Sie wollen gehen?«
    Sie stand mitten im Zimmer, Muff und Schal in der Hand.
    »Nein, ich werde warten, bis Sie die Wohnung verlassen haben, und erst dann gehen. Ich möchte Tatjana Pawlowna noch ein paar Worte schreiben.«
    »Ich werde sofort gehen, sofort, aber noch einmal: Seien Sie glücklich, allein oder mit dem, den Sie erwählen, Gott behüte Sie! Ich aber – ich brauche nur ein Ideal!«
    »Mein lieber, guter Arkadij Makarowitsch, glauben Sie mir, daß ich an Sie … Mein Vater sagt jedes Mal, wenn er von Ihnen spricht: ›Ein lieber, guter Junge!‹ Glauben Sie mir, ich werde an Ihre Erzählungen von dem armen Knaben, den man Fremden überlassen hatte, immer denken, an seine einsamen Träume … Ich verstehe sehr wohl, was mit Ihrer Seele geschah … Jetzt aber, auch, wenn wir Studenten sind«, fügte sie mit einem bittenden und verschämten Lächeln, meine Hand drückend, hinzu, »jetzt aber, obwohl wir Studenten sind, dürfen wir uns nicht mehr sehen wie früher und, und … das verstehen Sie doch?«
    »Wir dürfen nicht?«
    »Nein, wir dürfen nicht, wir dürfen es lange nicht … daran bin ich schon wieder schuld … Ich sehe, daß es jetzt ganz und gar unmöglich ist … Wir werden uns hin und wieder bei Papa begegnen …«
    “Sie fürchten meine ‘feurige Einbildungskraft’. Sie glauben mir nicht?” Diese Worte lagen mir schon auf der Zunge. Aber plötzlich stand sie so verlegen vor mir, daß die Worte mir nicht über die Lippen kamen.
    »Sagen Sie«, (ich stand schon an der Tür, als sie mich plötzlich anhielt), »haben Sie selbst gesehen, daß … jener Brief … zerrissen wurde? Haben Sie das richtig behalten? Woran haben Sie erkannt, daß es gerade der Brief an Andronikow war?«
    »Kraft hat mir von seinem Inhalt erzählt und ihn mir sogar gezeigt … Leben Sie wohl! Immer, wenn ich Sie in Ihrem Kabinett besuchte, war ich in Ihrer Gegenwart schüchtern, aber sobald Sie es verließen, war ich bereit, mich auf den Boden zu werfen und die Stelle zu küssen, wo Ihr Fuß gestanden hatte …« stieß ich plötzlich hervor, völlig überraschend für mich selbst, ohne zu wissen, wie und wozu, und verließ, ohne sie anzusehen, rasch den Raum.
    Ich eilte nach Hause; in meiner Seele war reines Entzücken. Alles fuhr mir wie im Wirbelsturm durch den Kopf, das Herz war übervoll. Als ich an dem Haus meiner Mutter vorfuhr, erinnerte ich mich plötzlich an Lisas Undankbarkeit gegenüber Anna Andrejewna, an ihr grausames, ungeheuerliches Wort vorhin, und plötzlich krampfte sich mein Herz vor

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