Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Platz.
»Ich habe mir schon gedacht, daß du hierherkommen würdest«, sagte er mit einem eigentümlichen Lächeln und einem eigentümlichen Blick auf mich. Sein Lächeln war ungut, ein solches Lächeln hatte ich schon seit langem auf seinem Gesicht nicht mehr gesehen.
Ich setzte mich an seinen Tisch und erzählte ihm zunächst alle Tatsachen über den Fürsten und über Lisa und über die Szene, die sich nach dem Roulette, mitten in der Nacht, zwischen dem Fürsten und mir abgespielt hatte; ich vergaß auch nicht meinen Gewinn beim Roulette. Er hörte sehr aufmerksam zu und fragte wiederholt nach dem Entschluß des Fürsten, Lisa zu heiraten.
»Pauvre enfant, vielleicht wird sie damit nichts gewinnen. Aber vermutlich kommt es gar nicht dazu … obschon er dazu fähig wäre …«
»Sagen Sie mir wie einem Freund: Sie haben es doch gewußt, Sie haben es doch geahnt?«
»Mein Freund, was konnte ich dabei ausrichten? All das ist Sache des Gefühls und des fremden Gewissens, sogar auch seitens dieses armen kleinen Mädchens. Ich wiederhole dir: Ich habe mich seinerzeit oft genug in ein fremdes Gewissen versetzt – das ist ein denkbar lästiges Manöver! In einem Unglück werde ich meine Hilfe nicht versagen, soweit meine Kräfte reichen, und wenn ich mich selbst dabei zurechtfinden kann. Und du, mein Lieber, hast du tatsächlich die ganze Zeit nicht einmal einen Verdacht gehabt?«
»Aber wie konnten Sie«, rief ich zornentbrannt, »wie konnten Sie, wenn Sie auch nur einen Hauch von Verdacht hatten, ich wüßte von Lisas Verhältnis mit dem Fürsten, und dabei zugesehen haben, daß ich zu gleicher Zeit vom Fürsten Geld nahm, wie konnten Sie sich dann mit mir unterhalten, neben mir sitzen, mir die Hand reichen – mir, den Sie für einen Schurken halten mußten, weil Sie, ich wette, bestimmt argwöhnten, ich wüßte alles und nähme das Geld vom Fürsten für meine Schwester wissentlich!«
»Wiederum – eine Sache des Gewissens«, lächelte er. »Und woher willst du wissen«, fügte er prononciert, aber geradezu rätselhaft empfindsam hinzu, »woher willst du wissen, ob nicht auch ich, ebenso wie du gestern bei einem anderen Anlaß, gefürchtet habe, mein ›Ideal‹ zu verlieren und anstelle meines feurigen und ehrlichen Jungen einen nichtswürdigen Bengel zu entdecken? Und in meiner Furcht diesen Augenblick hinausschob? Warum kann man auch nicht in mir statt Trägheit und Kabale etwas Unschuldigeres voraussetzen, sagen wir, etwas Törichteres, aber doch Anständigeres? Que diable! Ich bin viel zu oft töricht auch ohne Anstand gewesen. Was hätte ich von dir, wenn sich bei dir schon solche Neigungen gezeigt hätten? Zureden und auf Besserung bestehen ist in solchen Fällen niedrig; du würdest in meinen Augen allen Wert verlieren, auch im Fall einer Besserung …«
»Aber Lisa, Lisa tut Ihnen doch leid?«
»Sie tut mir sehr leid, mein Lieber. Wie kommst du darauf, ich sei so gefühllos? Ganz im Gegenteil, ich werde mich nach Kräften bemühen … Aber nun, wie steht’s mit dir, mit deinen Angelegenheiten?«
»Lassen wir meine Angelegenheiten; meine Angelegenheiten gibt es jetzt nicht mehr. Hören Sie, warum zweifeln Sie daran, daß er sie heiraten wird? Er war gestern bei Anna Andrejewna und hat endgültig verzichtet … nun, das heißt, verzichtet auf jenen dummen Einfall, den der Fürst Nikolaj Iwanowitsch hatte – die beiden zu verkuppeln. Er hat endgültig verzichtet.«
»Ja? Wann soll das gewesen sein? Und von wem hast du das eigentlich gehört?« erkundigte er sich interessiert. Ich erzählte alles, was ich wußte.
»Hm …« Er wirkte nachdenklich und schien zu überlegen, »dann war das … vor ungefähr einer Stunde … vor einer anderen Aussprache, hm, nun ja, eine solche Aussprache zwischen den beiden wäre durchaus … obwohl es mir bekannt ist, daß dort bis jetzt und zu keinem anderen Zeitpunkt etwas gesagt oder unternommen wurde, weder von der einen noch von der anderen Seite … Ja, natürlich, zwei Worte können genügen, um sich auszusprechen. Aber weißt du«, plötzlich lächelte er eigentümlich, »ich werde dich mit einer außergewöhnlichen Neuigkeit überraschen. Selbst wenn dein Fürst gestern einen Heiratsantrag gemacht hätte (was ich, da ich die Geschichte mit Lisa ahnte, aus allen mir zur Verfügung stehenden Kräften zu verhindern gesucht hätte, entre nous soit dit ), hätte Anna Andrejewna ihm unter allen Umständen sofort einen Korb gegeben. Du scheinst Anna
Weitere Kostenlose Bücher