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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Mensch sein.
    »Aber warum rechtfertigst du dich denn? Du hast es, scheint mir, sehr eilig, dich zu rechtfertigen, warum eigentlich?« fragte Lisa leise und sanft, aber mit einer sehr festen und sicheren Stimme.
    »Was heißt, warum? Was soll ich denn jetzt machen? – Schon diese Frage genügt! Und du sagst: ›Warum eigentlich?‹ Ich weiß doch nicht, wie ich mich verhalten soll! Ich weiß doch nicht, wie in solchen Fällen Brüder handeln sollen! Ich weiß, daß man mit der Pistole in der Hand die Heirat erzwingen kann … Ich will mich so verhalten, wie es sich für einen Mann von Ehre gehört! Ich weiß aber nicht, was sich für einen Mann von Ehre gehört! … Warum? Darum, weil wir nicht von Adel sind, er aber – ein Fürst ist und als solcher seine Karriere macht; uns, ehrbare Menschen, wird er nicht einmal anhören. Und wir – sind nicht einmal Bruder und Schwester, sondern Bastarde, ohne Namen, Kinder eines Gesindeknechts; heiraten denn Fürsten jemand aus dem Gesinde? Abscheulich! Und zu allem Überfluß sitzt du einfach da und wunderst dich über mich.«
    »Ich glaube dir, daß du dich quälst«, Lisa errötete wieder, »aber du übereilst dich und quälst dich selbst.«
    »Ich übereile mich? Habe ich mich denn etwa nicht genug verspätet, deiner Meinung nach! Du, Lisa, ausgerechnet du wirfst mir das vor?« Nun war ich im Bann einer grenzenlosen Empörung. »Welche Schmach wurde mir angetan, und wie mußte dieser Fürst mich verachten! Oh, jetzt ist mir alles klar, dieses ganze Tableau liegt mir vor Augen: Er war sich völlig sicher, daß ich schon längst dahintergekommen bin, hinter euer Verhältnis, aber schweige und sogar die Nase hoch trage und mich einer ›Ehre‹ rühme – sogar das hätte er denken können! Und für meine Schwester, für die Schmach meiner Schwester streiche ich Geld ein! Das mußte er angeekelt mit ansehen, und ich muß ihn uneingeschränkt rechtfertigen: Tag für Tag mit einem Schurken verkehren, ihn empfangen, weil er ihr Bruder ist und auch noch ständig von Ehre redet … da muß das Herz verdorren, und wäre es auch nur sein Herz! Und du hast das alles zugelassen, du hast mich nicht gewarnt! Er hat mich so tief verachtet, daß er mit Stjebelkow über mich gesprochen hat und auch mir gestern ins Gesicht sagte, er habe vor, uns beide, Werssilow und mich, vor die Tür zu setzen. Und dieser Stjebelkow! ›Anna Andrejewna ist doch genausogut Ihr Schwesterchen wie auch Lisaweta Makarowna‹, und schreit noch hinter mir her: ›Mein Geld ist besser.‹ Und ich, ich lümmelte mich bei ihm auf den Sofas herum und biederte mich als Gleicher unter Gleichen bei seinen Bekannten an, der Teufel soll sie holen! Und du hast das alles zugelassen! Möglicherweise weiß auch Darsan jetzt davon, wenigstens nach dem Ton zu schließen, den er gestern abend anschlug … Alle, alle wissen es, nur ich nicht!«
    »Niemand weiß etwas, mit keinem seiner Bekannten hat er darüber gesprochen, und auch nicht sprechen können «, unterbrach mich Lisa, »und von diesem Stjebelkow weiß ich nur so viel, daß Stjebelkow ihn quält und daß dieser Stjebelkow nur etwas erraten haben könnte … Und über dich habe ich einige Male mit ihm gesprochen, und er hat mir fest geglaubt, daß du ahnungslos bist, und nun weiß ich nicht, warum und weshalb es gestern so weit zwischen euch gekommen ist.«
    »Oh, wenigstens bin ich seit gestern mit ihm quitt und bin wenigstens diesen Druck los! Lisa, weiß es Mama? Wie sollte sie es nicht wissen: Gestern, gestern hat sie mich doch richtig angefahren! … Ach, Lisa! Glaubst du denn, in allem entschieden im Recht zu sein, und machst dir nicht die leisesten Vorwürfe? Ich weiß nicht, wie man heute darüber urteilt und was du selbst denkst, das heißt, über mich, deinen Bruder, die Mama, den Vater … Weiß es Werssilow?«
    »Mama hat ihm nichts gesagt; er fragt nicht; wahrscheinlich will er nicht fragen.« – »Er weiß es, aber er will es nicht wissen, das ist es, das sieht ihm ähnlich! Nun, über die Rolle des Bruders kannst du ruhig spotten, des törichten Bruders, wenn er von Pistolen redet, aber über die Mutter, die Mutter? Hast du denn nicht daran gedacht, Lisa, daß es für die Mutter – ein Vorwurf ist? Das hat mich die ganze Nacht gequält. Mamas erster Gedanke ist jetzt: ›Das kommt, weil auch ich gefehlt habe, und wie die Mutter – so die Tochter!‹«
    »Ach, wie boshaft und grausam sprichst du!« rief Lisa, die ihre Tränen nicht

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