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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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durch nichts auszeichnete. Übrigens zweifellos hochanständig. Er hatte sich zur Gewohnheit gemacht, mich aufzusuchen, und ich machte keine Umstände mit ihm, er saß tagelang schweigend bei mir irgendwo in einer Ecke, aber würdig, und störte mich nicht im geringsten. Eines Tages erzählte ich ihm eine brandneue Geschichte, die ich noch mit allerlei Unsinn ausschmückte, und zwar über die Tochter des Obersten, der ich nicht gleichgültig sei, und über den Obersten, der nun auf mich rechne und selbstverständlich jedem meiner Wünsche entgegenkommen würde … Mit einem Wort, ich übergehe die Details, es ergab sich daraus mit der Zeit ein höchst verwickelter und höchst unangenehmer Klatsch. Das lag nicht an Stepanow, sondern an meinem Burschen, der alles belauscht und alles behalten hatte, weil es sich um eine komische, die junge Person kompromittierende Anekdote handelte. Und nun berief sich später dieser Bursche bei einem Verhör vor den Offizieren auf Stepanow als Zeugen, der diese Geschichte von mir gehört hätte. Stepanow befand sich daraufhin in einer peinlichen Lage, da er unmöglich leugnen konnte, daß er etwas gehört hätte; es ging um eine Ehrensache. Da ich aber zwei Drittel der Geschichte erfunden hatte, waren die Offiziere empört, und der Regimentskommandeur sah sich gezwungen, uns bei sich zu versammeln und eine Klärung zu verlangen. Und da wurde Stepanow vor allen Versammelten die Frage gestellt: Hat er es gehört oder nicht? Und dieser sagte die reinste Wahrheit. Nun, und was tat ich, der tausendjährige Fürst? Ich leugnete alles und sagte Stepanow ins Gesicht, er habe gelogen, natürlich auf eine höfliche Art, das heißt, er habe mich ›falsch verstanden‹ und so fort … Ich übergehe abermals die Details, aber der Vorteil meiner Lage bestand darin, daß ich, da Stepanow mich immer häufiger besuchte, die Sache so darstellen konnte (ohne die Grenzen der Wahrscheinlichkeit zu übertreten), er hätte sich mit meinem Burschen gewisser Vorteile wegen abgesprochen. Stepanow sah mich nur schweigend an und zuckte die Achseln. Ich erinnere mich noch an seinen Blick und werde ihn nie vergessen. Darauf reichte er unverzüglich seinen Abschied ein, aber was glauben Sie, was geschah? Die Offiziere, ausnahmslos, machten ihm einen gemeinsamen Besuch und überredeten ihn, das Abschiedsgesuch zurückzuziehen. Zwei Wochen später verließ ich das Regiment: Mich hatte niemand dazu aufgefordert, niemand dazu gezwungen, ich nannte eine Familienangelegenheit als Anlaß für meinen Abschied. Damit war die Sache erledigt. Anfangs machte ich mir nichts daraus und nahm es ihnen sogar übel; ich wohnte in Luga, lernte Lisaweta Makarowna kennen, aber dann, nach einem weiteren Monat, betrachtete ich bereits meinen Revolver und dachte hin und wieder an den Tod. Ich betrachte jede Angelegenheit von ihrer düsteren Seite, Arkadij Makarowitsch. Ich setzte einen Brief an den Regimentskommandeur und die Offiziere auf, in dem ich mich uneingeschränkt zu meiner Lüge bekannte, um Stepanow vollständig zu rehabilitieren. Nachdem der Brief geschrieben war, stellte ich mir die Frage: ›Abschicken und leben oder abschicken und sterben?‹ Allein hätte ich diese Frage nicht beantworten können. Ein Zufall, ein blinder Zufall, nach einem kurzen und eigentümlichen Gespräch mit Lisaweta Makarowna, hatte mich ihr plötzlich nähergebracht. Bis dahin hatte sie die Stolbejewa besucht; wir waren einander begegnet, hatten uns gegrüßt und sogar, wenn auch selten, ein paar Worte gewechselt. Plötzlich vertraute ich ihr alles an. Und damals geschah es, daß sie mir ihre Hand reichte.«
    »Wie hat sie diese Frage beantwortet?«
    »Ich habe den Brief nicht abgeschickt. Sie hat entschieden, ihn nicht abzuschicken. Sie motivierte es so: Wenn ich den Brief abschickte, würde ich edel handeln, genügend, um damit den ganzen Schmutz abzuwaschen und sogar noch viel mehr, aber würde ich dies selbst ertragen? Ihrer Meinung nach könnte es niemand ertragen, weil die gesamte Zukunft damit ausgelöscht und eine Auferstehung zu neuem Leben unmöglich wäre. Und außerdem wäre es etwas ganz anderes, wenn Stepanow gelitten hätte; aber die Gemeinschaft der Offiziere hätte ihn ja ohnedies gerechtfertigt. Es ergab sich ein Paradox; aber sie hat mich davon zurückgehalten, und ich habe mich ihr vollkommen ergeben.«
    »Sie hat geantwortet wie ein Jesuit, und doch völlig weiblich!« rief ich. »Sie hat Sie schon damals geliebt!«
    »Das war

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