Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
ich, Zeit, deinen eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Ich habe, weißt du, die ganze Zeit Kopfschmerzen. Man soll mir die ›Lucia‹ vorspielen. Ich liebe die Feierlichkeit der Langeweile, aber das habe ich dir schon mal gesagt … Ich wiederhole mich unverzeihlich … Übrigens, vielleicht gehe ich irgendwo anders hin. Ich habe dich sehr gern, mein Lieber, aber nun adieu; wenn mir der Kopf oder die Zähne weh tun, dürste ich nach Einsamkeit.«
    Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzlichen Grimasse; heute glaube ich, daß ihn damals der Kopf schmerzte, besonders der Kopf …
    »Bis morgen«, sagte ich.
    »Was heißt bis morgen, und was wird morgen sein?« fragte er mit einem schiefen Lächeln.
    »Ich komme zu Ihnen, oder Sie kommen zu mir.«
    »Nein, ich werde nicht zu dir kommen, aber du wirst zu mir gelaufen kommen …«
    In seinem Ausdruck lag zu viel Ungutes, aber sogar das störte mich nicht: Eine solche Neuigkeit!
    III
    Der Fürst war tatsächlich krank und saß ganz allein zu Hause, mit einem nassen Handtuch um den Kopf. Er hatte ungeduldig auf mich gewartet; aber er litt nicht nur unter Kopfschmerzen, sondern unter heftigem seelischen Unwohlsein. Ich sage abermals vorab: In dieser ganzen letzten Zeit, und bis zu der Katastrophe, kam es irgendwie dazu, daß ich mit Menschen zusammentraf, die so erregt waren, daß sie beinahe geisteskrank wirkten und ich Gefahr lief, unbeabsichtigt von ihnen angesteckt zu werden. Ich gebe zu, daß ich in einer feindseligen Stimmung bei ihm eintrat, zumal ich es als sehr peinlich empfand, daß ich gestern vor ihm in Tränen ausgebrochen war. Und immerhin hatten sie, er und Lisa, mich doch so geschickt hintergangen, daß ich nicht anders konnte, als mich für einen Dummkopf zu halten. Mit einem Wort, als ich bei ihm eintrat, klangen in meiner Seele falsche Saiten. Aber alles Gekünstelte und Falsche fiel sehr bald von mir ab. Ich muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen: Sobald sein Argwohn zerstreut war, zeigte er sich fast kindlich zärtlich, zutraulich und liebevoll. Er küßte mich unter Tränen und begann sogleich, über die Probleme zu reden … Ja, er hatte mich in der Tat sehr nötig gebraucht: In seinen Worten und im Fluß seiner Gedanken herrschte eine heillose Unordnung.
    Unerschütterlich fest teilte er mir seine Absicht mit, Lisa zu heiraten, und zwar sobald als möglich. »Der Umstand, daß sie keine Adelige ist, hat mich nicht einen Augenblick beschäftigt«, sagte er zu mir, »mein Großvater hatte eine Gesindemagd geheiratet, Sängerin an dem Leibeigenen-Theater des benachbarten Gutsbesitzers. Freilich, meine Familie hatte auf mich gewisse Hoffnungen gesetzt, aber sie wird sie jetzt aufgeben müssen, und zu einem Kampf wird es gar nicht kommen. Ich will mit allem, allem Heutigen endgültig brechen! Alles muß anders werden, alles einen neuen Anfang nehmen! Ich kann nicht begreifen, wofür Ihre Schwester mich liebgewonnen hat; aber ich, das steht fest, wäre wahrscheinlich ohne sie heute nicht mehr auf der Welt. Ich schwöre Ihnen aus tiefstem Herzen, daß ich unsere Begegnung in Luga für einen Fingerzeig der Vorsehung halte. Ich glaube, sie liebt mich, weil ich ›unermeßlich tief gefallen bin‹ … übrigens, verstehen Sie mich, Arkadij Makarowitsch?«
    »Vollkommen!« bestätigte ich im Ton der höchsten Überzeugung. Ich saß auf einem Lehnstuhl vor dem Tisch, er schritt im Zimmer auf und ab.
    »Ich muß Ihnen die ganzen Umstände unserer Begegnung erzählen, ohne etwas zu verschweigen. Alles begann mit einem Geheimnis, das ich in meiner Seele trug und ihr als einziger anvertraute, weil sie die einzige war, der zu glauben ich mich entschlossen hatte. Und bis heute weiß davon kein einziger Mensch. Nach Luga war ich damals mit verzweifeltem Herzen geraten und wohnte bei der Stolbejewa, ich weiß nicht, warum, vielleicht suchte ich völlige Einsamkeit. Ich hatte damals gerade den Dienst in dem –skij-Regiment quittiert. In dieses Regiment war ich nach meiner Rückkehr aus dem Ausland eingetreten, nachdem ich dort Andrej Petrowitsch begegnet war. Ich hatte damals Geld, lebte auf großem Fuß, hielt ein offenes Haus; aber die Regimentsoffiziere mochten mich nicht, obwohl ich mir Mühe gab, niemand zu kränken. Ich muß Ihnen gestehen, daß mich niemals jemand geliebt hatte. Dort war ein Kornett, ein gewisser Stepanow, ein, ich muß es gestehen, völlig leerer, unbedeutender, vielleicht sogar eingeschüchterter Mensch, mit einem Wort, jemand, der sich

Weitere Kostenlose Bücher