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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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gleichzeitig mit uns eingetroffen waren) hat er ebenfalls während des ganzen Essens kein einziges Wort gesprochen, wiewohl es offensichtlich war, daß er sie recht gut kannte. Er unterhielt sich lediglich mit Lambert, aber auch nur beinahe flüsternd, wobei fast ausschließlich Lambert sprach, während der Pockennarbige sich auf abgerissene, ärgerliche und ultimative Worte beschränkte. Er sprach von oben herab, böse und spöttisch, während Lambert ganz im Gegenteil sehr erregt war und auf ihn einredete, um ihn offensichtlich für irgendeine gemeinsame Unternehmung zu gewinnen. Einmal streckte ich die Hand nach der Flasche mit Rotwein aus; der Pockennarbige nahm plötzlich die Flasche Jerez und hielt sie mir hin, ohne bis dahin auch nur ein Wort mit mir gesprochen zu haben.
    »Versuchen Sie den«, sagte er, indem er mir die Flasche reichte. Da ging es mir plötzlich auf, daß auch ihm wahrscheinlich alles über mich bekannt sein mußte – sowohl meine Geschichte als auch mein Name und vielleicht auch das, was Lambert mit mir vorhatte. Der Gedanke, daß er mich für einen Gefolgsmann Lamberts halten könnte, machte mich wieder wild vor Zorn, und Lamberts Gesicht drückte augenblicklich die stärkste und albernste Unruhe aus, als jener sich an mich wandte. Der Pockennarbige bemerkte es und lachte. “Lambert ist entschieden abhängig von allen”, dachte ich und haßte ihn in diesem Augenblick aus ganzem Herzen. Auf diese Weise waren wir, obwohl wir während des ganzen Essens an einem Tisch saßen, doch in zwei Gruppen geteilt: der Pockennarbige mit Lambert, dem Fenster am nächsten, einer dem anderen gegenüber, und ich neben dem speckigen Andrejew mit Trischatow mir gegenüber. Lambert hatte es eilig mit den Gängen, indem er die Bedienung alle Augenblicke immer wieder zum Auftragen antrieb. Als der Champagner gereicht wurde, hielt er mir plötzlich seinen Kelch hin.
    »Auf dein Wohl, laß uns anstoßen!« sagte er, sein Gespräch mit dem Pockennarbigen unterbrechend.
    »Erlauben Sie auch mir, mit Ihnen anzustoßen?« fragte über den Tisch, mir seinen Kelch entgegenhaltend, der hübsche Trischatow. Vor dem Champagner war er irgendwie nachdenklich und schweigsam gewesen. Der dadais sprach kein einziges Wort, blieb stumm und aß viel.
    »Mit Vergnügen«, antwortete ich Trischatow. Wir stießen an und tranken aus.
    »Und ich werde auf Ihre Gesundheit mit Ihnen nicht trinken«, wandte sich plötzlich der dadais an mich, »nicht deswegen, weil ich Ihren Tod wünschte, sondern damit Sie heute hier nicht mehr trinken.« Er sprach finster und gewichtig.
    »Für Sie reichen auch drei Gläser. Sie interessieren sich, wie ich sehe, für meine ungewaschene Faust?« fuhr er fort, indem er seine Faust auf den Tisch legte. »Ich wasche sie nicht und stelle sie ungewaschen Lambert zur Verfügung, um fremde Köpfe in allen für Lambert kritischen Fällen zu zerschmettern.« Und nachdem er das gesagt hatte, schlug er plötzlich mit seiner Faust so gewaltig auf den Tisch, daß sämtliche Teller und Gläser in die Luft sprangen. Außer uns speiste man in diesem Raum noch an vier anderen Tischen, Offiziere und verschiedene andere Herrschaften von würdevollem Aussehen. Dieses Restaurant war gerade in Mode; alle unterbrachen für einen Augenblick ihre Unterhaltung und sahen zu unserer Ecke herüber; ja, offenbar hatten wir schon länger allgemeine Neugier erregt. Lambert wurde über und über rot.
    »Ha, der fängt wieder an! Ich glaube, ich habe Sie doch gebeten, Nikolaj Semjonowitsch, sich anständig aufzuführen«, flüsterte er wütend Andrejew zu. Dieser musterte ihn mit einem langen und langsamen Blick:
    »Ich wünsche nicht, daß mein neuer Freund Dolgorowky heute hier viel Wein trinkt.«
    Lambert wurde noch röter. Der Pockennarbige hörte schweigend zu, aber mit sichtlichem Vergnügen. Andrejews Benehmen schien ihm aus irgendeinem Grunde zu gefallen. Ich war der einzige, der nicht verstehen konnte, weshalb ich nicht viel Wein trinken sollte.
    »Das tut er nur, um Geld zu bekommen! Sie werden noch sieben Rubel bekommen, hören Sie, aber erst nach dem Essen – lassen Sie uns zu Ende essen, machen Sie kein Aufsehen«, flüsterte ihm Lambert zähneknirschend zu.
    »Aha!« brummelte der dadais triumphierend. Dies fand der Pockennarbige nun vollends begeisternd, und er kicherte boshaft.
    »Hör mal, du übertreibst …«, sagte Trischatow beunruhigt und fast leidend zu seinem Freund, sichtlich mit dem Wunsch, ihn zu zügeln.

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