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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Regiment und wurde davongejagt, und kannst du dir das vorstellen, er ist gebildet; kommt aus gutem Hause, kannst du dir das vorstellen? Er hat Ideen, er könnte … Hol’s der Teufel! Und ist stark wie Hercule. Er ist nützlich, aber nicht genug. Du siehst doch selbst: Er wäscht sich nicht die Hände: Ich habe ihn einer Dame empfohlen, einer alten, vornehmen Dame, sagte, er würde seinen Lebenswandel bereuen, er würde vor lauter Reue an Selbstmord denken, darauf sucht er sie auf, setzt sich hin und fängt an zu pfeifen. Und dieser andere, der Hübsche, ist der Sohn eines Generals; die Familie geniert sich seinetwegen, ich habe ihm einen Prozeß erspart, ich habe ihn gerettet, und du siehst ja, wie er mir dankt. Hier gibt es keine Menschen! Ich jage sie davon, mit einem Fußtritt, mit einem Fußtritt!«
    »Sie kennen meinen Namen; hast du ihnen von mir erzählt?«
    »Dumm genug. Ich bitte dich, bleibe zum Essen, nimm dich zusammen … Es kommt noch eine schreckliche Kanaille. Das ist eine unheimliche Kanaille, entsetzlich schlau; hier trifft man nur Lumpenpack: keinen einzigen ehrlichen Menschen! Na ja, wir führen unsere Sache aus – und dann … Was möchtest du essen? Aber ganz gleich, dort wird sehr gut gekocht. Ich zahle, mach dir keine Sorgen. Sehr gut, daß du gut gekleidet bist. Ich kann dir Geld geben. Du kannst jederzeit kommen. Stell dir vor, die haben sich jeden Tag an den gedeckten Tisch gesetzt, jeden Tag Kulebjaka ; die Uhr, die er verkauft hat – das ist schon die zweite. Dieser Kleine, Trischatow – du warst dabei, Alphonsine ekelt sich, ihn auch nur anzusehen, und verbietet ihm, in ihre Nähe zu kommen – erklärt plötzlich, vor Offizieren: ›Ich wünsche Bekassinen.‹ Er hat seine Bekassinen bekommen! Aber ich werde mich rächen.«
    »Weißt du noch, Lambert, wie du und ich in Moskau in ein Gasthaus gefahren sind und du in diesem Gasthaus mit einer Gabel zugestochen hast, und wie du damals fünfhundert Rubel in der Tasche hattest?«
    »Ja, weiß ich noch! Hol’s der Teufel, ich weiß es noch! Ich hab dich gern … Du mußt mir glauben. Kein Mensch hat dich gern, ich aber hab dich gern; ich ganz allein, denk dran … Der Mann, der kommen wird, pockennarbig, ist die durchtriebenste Kanaille; geh nicht auf ihn ein, wenn er spricht, mit keinem Wort, und wenn er dich ausfragt, mußt du Unsinn antworten, am besten schweigen …«
    Jedenfalls hat er mich vor lauter Aufregung unterwegs nicht ausgefragt. Ich fühlte mich sogar beleidigt, daß er meiner so sicher war und mich nicht einmal des Mißtrauens für fähig hielt; ich hatte das Gefühl, daß er dummerweise glaubte, er könne mir in der alten Manier befehlen. »Und außerdem ist er entsetzlich ungebildet«, dachte ich, als ich das Restaurant betrat.
    III
    In diesem Restaurant auf der Morskaja, das auch ich zur Zeit meines ekelhaften Falls und meiner Verderbtheit gelegentlich aufgesucht hatte, und von daher der Eindruck dieser Räume, dieser Lakaien, die mich musterten und in mir einen häufigen Besucher wiedererkannten, und schließlich der Eindruck dieser rätselhaften Gesellschaft von Lamberts Freunden, in die ich plötzlich mich versetzt sah, als gehörte ich untrennbar dazu, und vor allem – die dunkle Vorahnung, daß ich mich freiwillig auf irgendwelche Scheußlichkeiten einließ und zweifellos übel enden würde – in diesem Restaurant schien mich plötzlich das alles gleichsam zu durchbohren. Es gab einen Augenblick, und ich wäre um ein Haar gegangen; aber dieser Augenblick verstrich, und ich blieb.
    Der »Pockennarbige«, vor dem Lambert aus irgendeinem Grund solchen Respekt hatte, wartete schon auf uns. Es war ein unscheinbarer Mann von beschränkt-geschäftigem Aussehen, einer von jenen Typen, die ich schon von Kindesbeinen an hasse; etwa fünfundvierzig, mittelgroß, mit einem bis zur Widerwärtigkeit glatt rasierten Gesicht und kleinen, korrekten, ergrauenden Koteletten, wie zwei Würstchen auf beiden Wangen des außerordentlich platten und bösen Gesichts. Selbstverständlich war er fade, nicht gesprächig und sogar, nach der Gewohnheit all solcher Leute, aus irgendeinem Grund hochmütig. Er musterte mich sehr aufmerksam, aber ohne ein Wort zu sagen, und Lambert war so töricht, daß er, als wir am selben Tisch Platz nahmen, es nicht für nötig hielt, uns einander vorzustellen, und jener mich ohne weiteres für einen der Lambert begleitenden Erpresser halten konnte. Mit diesen jungen Männern (die fast

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