Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
du aber kannst sie um das Geld bringen – und davor bekommt sie Angst; du wirst sie heiraten und dich dadurch an Bjoring rächen. Du hast mir doch selbst damals erzählt, in der Nacht, halb erfroren wie du warst, daß sie in dich verliebt ist.«
»Das habe ich dir erzählt? Ich habe es bestimmt anders erzählt.«
»Nein, so.«
»Ich habe damals gesponnen. Wahrscheinlich habe ich dir damals auch von einem Dokument erzählt?«
»Ja, du hast erzählt, daß du diesen Brief in Händen hast; und da habe ich gedacht: Warum zieht er keinen Nutzen daraus, wenn er einen solchen Brief hat?«
»Alles Phantasie, und ich bin keineswegs so dumm, um daran zu glauben«, murmelte ich. »Erstens – der Altersunterschied, und zweitens, ich habe keinen Namen.«
»Aber sie wird darauf eingehen; wie sollte sie nicht darauf eingehen, wenn es um so viel Geld geht – ich werde schon dafür sorgen. Und außerdem liebt sie dich. Du weißt, daß dieser alte Fürst eine Schwäche für dich hat; mit seiner Protektion kannst du wer weiß was für Beziehungen anknüpfen; daß du keinen Namen hast, spielt heute überhaupt keine Rolle mehr: Du brauchst dir nur das Geld zu schnappen, und schon geht’s los, immer höher und höher, und in zehn Jahren bist du ein solcher Millionär, daß ganz Rußland in den Nähten kracht. Was brauchst du dann noch einen Namen? In Österreich kann man den Baron kaufen. Und wenn du sie geheiratet hast, dann mußt du sie an die Kandare nehmen. Sie braucht das. Wenn die Frau liebt, dann liebt sie es auch, hart angefaßt zu werden. Die Frau liebt im Mann den Charakter. Und wenn du ihr mit dem Brief schon einen Schrecken eingejagt hast, dann wirst du ihr von da an auch den Charakter beweisen. ›Oh‹, wird sie sagen, ›noch so jung und hat schon Charakter!‹«
Ich saß da wie benommen. Ich hätte mich nie und unter keinen Umständen mit einem anderen auf eine so dumme Unterhaltung eingelassen. Aber in diesem Fall war ich einer wohligen Lust erlegen. Außerdem war Lambert so dumm und gemein, daß man sich vor ihm nicht zu schämen brauchte.
»Nein, weißt du, Lambert«, sagte ich plötzlich, »wie dem auch sei, aber dabei ist viel Illusion; ich habe deshalb mit dir gesprochen, weil wir Schulfreunde sind und uns voreinander nicht genieren; aber einem anderen gegenüber hätte ich mich um nichts auf der Welt so erniedrigt. Die Hauptsache: Warum behauptest du so felsenfest, daß sie mich liebt? Über das Kapital hast du jetzt sehr richtig gesprochen; aber siehst du, Lambert, die höhere Gesellschaft kennst du nicht. Dort beruht alles auf rein patriarchalischen Beziehungen, sozusagen innerhalb einer Sippe, so daß es jetzt für sie, solange sie weder meine Fähigkeiten kennt noch die Ziele, die ich im Leben erreichen kann, immer noch ein Fauxpas ist. Aber ich möchte es dir, Lambert, nicht verhehlen, daß es da wirklich einen Punkt gibt, der zu einer gewissen Hoffnung Anlaß geben könnte. Siehst du: Sie könnte mich aus Dankbarkeit heiraten, weil ich sie damit dem Haß eines bestimmten Menschen entziehen würde. Und sie fürchtet ihn, diesen Menschen.«
»Ach so, meinst du deinen Vater? Wie ist es, liebt er sie sehr?« Lambert belebte sich vor außerordentlicher Neugier.
»O nein!« rief ich, »wie schrecklich kannst du sein und wie dumm zugleich, Lambert! Könnte ich denn, wenn er sie liebte, den Wunsch haben, sie zu heiraten? Denn immerhin – Sohn und Vater, das wäre schon schändlich. Er liebt Mama, Mama, und ich habe gesehen, wie er sie umarmte, ich habe ja vorher selbst geglaubt, er liebe Katerina Nikolajewna, und erst jetzt deutlich erkannt, daß er sie möglicherweise einmal geliebt haben mag, jetzt aber schon lange nur noch haßt … und sich rächen will, sie aber hat Angst, weil er, das sage ich dir, Lambert, weil er unheimlich und schrecklich ist, wenn er auf Rache sinnt. Dann wird er beinahe wahnsinnig. Wenn er ihr böse ist, ist er zu allem fähig. Das ist eine Feindschaft alter Art, der es um höhere Prinzipien geht. Heutzutage pfeift man auf alle allgemeinen Prinzipien; heutzutage gelten nicht die allgemeinen Prinzipien, sondern nur Einzelfälle. Ach, Lambert, du kapierst überhaupt nichts: Du bist ein Simpel; ich spreche zu dir jetzt von diesen Prinzipien, und du hast garantiert keine Ahnung davon. Du bist entsetzlich ungebildet. Weißt du noch, wie du mich verprügelt hast? Ich bin jetzt stärker als du, weißt du das?«
»Arkascha, wir wollen jetzt zu mir gehen. Wir wollen diesen Abend
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