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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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zu heiraten?«
    »Aber was will man mit dieser dummen Gans machen? Es heißt nicht umsonst: Eine dumme Gans bleibt immer eine dumme Gans! Bei ihm, verstehst du, wird sie Ruhe finden: ›Man muß doch‹, sagt sie, ›irgendeinen heiraten, und der da scheint am geeignetsten zu sein‹; das werden wir ja noch sehen, wie lange der für sie der geeignetste bleibt. Eines Tages wird sie sich die Haare raufen, aber dann wird es zu spät sein.«
    »Aber Sie, wieso lassen Sie es geschehen? Sie lieben sie doch; Sie haben ihr doch ins Gesicht gesagt, daß Sie in sie verliebt sind?«
    »Bin ich auch, und liebe sie mehr als euch alle zusammen, aber trotzdem ist sie eine dumme Gans – ohne Sinn und Verstand.«
    »Also müssen Sie sie jetzt rasch holen, und wir werden alles besprechen und sie zu ihrem Vater bringen.«
    »Das geht nicht, das geht nicht, du Närrchen! Das ist es ja! Ach, was soll man nur machen! Ach, mir wird schlecht!« Sie rannte wieder rastlos im Zimmer auf und ab, jetzt allerdings mit einem Plaid unter dem Arm. »Wärst du nur vier Stunden früher gekommen, aber jetzt – nach sieben, hat sie sich schon verabredungsgemäß zu Pelistschews zum Essen begeben, um dann mit ihnen zusammen in die Oper zu fahren.«
    »Könnte man ihr nicht in die Oper nachlaufen … Ach nein, unmöglich! Was soll nur mit dem alten Herrn werden? Er stirbt doch womöglich im Laufe der Nacht!«
    »Paß auf, geh nicht hin, geh zu Mama, bleib dort über Nacht, und morgen früh …«
    »Nein, ich werde um keinen Preis der Welt den alten Mann verlassen, was auch immer kommen mag.«
    »Ja, du darfst ihn auch nicht verlassen; da hast du ganz recht. Und ich, weißt du … Ich laufe trotzdem zu ihr und lasse ihr einen Zettel da … weißt du … Ich schreibe ihn in unserer Sprache (sie wird es verstehen!), das Dokument sei hier, und sie soll morgen Punkt zehn bei mir sein – pünktlichst! Mach dir keine Sorgen, sie wird schon kommen, mir gehorcht sie aufs Wort: Dann werden wir alles auf einmal unter Dach und Fach bringen. Du aber läufst hin und hältst den Alten bei Laune, so gut du kannst, und bringst ihn ins Bett, hoffentlich hält er bis morgen früh durch! Und Anna darfst du nicht einschüchtern; die liebe ich doch auch; du bist ungerecht zu ihr, weil du etwas nicht kapierst: Sie ist gekränkt, sie ist von Kind an gekränkt worden. Och, und ich habe euch alle auf dem Buckel! Und vergiß nicht, ihr von mir auszurichten, daß ich jetzt diese Sache übernommen habe, ich persönlich, daß ich mit meinem ganzen Herzen dabei bin und daß sie ruhig sein kann und daß ihr Stolz keinen Schaden nehmen wird … Wir beide haben uns doch in den letzten Tagen völlig überworfen, uns gezankt – gestritten bis aufs Blut. So, und jetzt lauf! Moment mal, laß mich noch einmal deine Tasche sehen … ist es auch wahr? Ist es auch wahr? Kann denn das wahr sein?! Gib mir doch diesen Brief wenigstens für die Nacht, was willst du damit? Laß ihn hier! Ich freß ihn nicht auf. Du könntest ihn doch im Laufe der Nacht verlieren … deine Meinung ändern?«
    »Um nichts auf der Welt!« rief ich. »Hier, tasten Sie, sehen Sie es sich an, aber um nichts auf der Welt würde ich ihn hierlassen!«
    »Ich sehe schon, ein Blatt Papier«, sie tastete die Tasche ab. »Na ja, schon gut, ab mit dir, und ich will ihr doch nach, vielleicht auch ins Theater, da hast du gut geraten! Aber lauf schon, lauf!«
    »Tatjana Pawlowna, warten Sie, wie geht es Mama?«
    »Sie lebt.«
    »Und Andrej Petrowitsch?«
    Sie winkte ab.
    »Der wird schon zur Besinnung kommen!«
    Ich eilte davon, ermutigt, hoffnungsvoll, obwohl alles anders gelaufen war, als ich es mir vorgestellt hatte. Aber wehe, das Schicksal hatte es anders beschlossen, und mich erwartete etwas anderes – wahrhaftig, es gibt ein Fatum in dieser Welt.
    II
    Schon im Treppenhaus hörte ich großen Lärm aus unserer Wohnung, und die Wohnungstür stand sperrangelweit offen. Im Korridor sah ich einen unbekannten Lakaien in Livree. Pjotr Ippolitowitsch und seine Frau, beide sichtlich erschrocken, befanden sich ebenfalls im Korridor und schienen auf etwas zu warten. Die Tür zum Fürsten war geöffnet, und von dort dröhnte eine Stimme, die ich sofort erkannte – die Stimme Bjorings. Ich hatte noch keine zwei Schritte getan, als ich plötzlich sah, daß der Fürst verweint und vor Angst bebend auf den Korridor hinausgeführt wurde, und zwar von Bjoring und seinem Gefährten, dem Baron R., demselben, der bei Werssilow zu

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