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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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der Unterredung erschienen war. Der Fürst schluchzte laut, umarmte und küßte Bjoring. Der Zorn Bjorings galt Anna Andrejewna, die dem Fürsten in den Korridor gefolgt war: Er drohte ihr und stampfte, wie ich mich erinnere, sogar mit den Füßen – mit einem Wort, in ihm kam der grobschlächtige deutsche Soldat zum Vorschein, ungeachtet der ganzen »weltmännischen« Tünche. Später stellte sich heraus, daß er sich damals in den Kopf gesetzt hatte, Anna Andrejewna habe sich sogar eines Kriminalverbrechens schuldig gemacht und müsse sich zweifellos sogar vor Gericht für ihre Untat verantworten. Aus Unkenntnis der Verhältnisse hatte er übertrieben, wie es bei vielen Leuten der Fall ist, und hielt sich deshalb für berechtigt, jede Rücksicht fallenzulassen. Er hatte nämlich noch keine Zeit gefunden, sich mit den Verhältnissen zu befassen: Er hatte, wie sich später herausstellte, ein anonymes Schreiben erhalten (worauf ich im folgenden eingehen werde), und war noch in jenem Zustand eines Tobsüchtigen hergekommen, in dem selbst die geistreichsten Menschen dieser Nation zuweilen geneigt sind, sich wie besoffene Schuster zu prügeln. Anna Andrejewna war dieser Attacke mit höchster Würde begegnet, aber das hatte ich nicht miterlebt. Ich sah nur, daß Bjoring, der den alten Mann auf den Korridor hinausgeführt hatte, diesen plötzlich der Fürsorge des Barons R. überließ, sich brüsk an Anna Andrejewna wandte und sie anschrie, vermutlich als Antwort auf eine ihrer Bemerkungen:
    »Sie sind eine Intrigantin! Sie wollen sein Geld! Von dieser Minute an haben Sie sich in der Gesellschaft unmöglich gemacht und werden vor Gericht gestellt! …«
    »Sie sind es, der einen unglücklichen Kranken als Mittel zum Zweck gebraucht und in den Wahnsinn treibt … und mich nur anschreit, weil ich eine Frau und schutzlos bin …«
    »Ach ja, Sie – seine Braut, seine Braut!« Bjoring brach in ein boshaftes und zügelloses Gelächter aus.
    »Baron, Baron … cher enfant, je vous aime «, dem Fürsten kamen wieder die Tränen, und er streckte die Arme nach Anna Andrejewna aus.
    »Gehen Sie, Fürst, gehen Sie: Gegen Sie wurde ein Komplott geschmiedet, vielleicht sogar gegen Ihr Leben!« schrie Bjoring.
    » Oui, oui, je comprends, j’ai compris au commencement  … «
    »Fürst«, Anna Andrejewna erhob ihre Stimme, »Sie beleidigen mich und lassen es zu, daß ich beleidigt werde!«
    »Fort!« brüllte Bjoring plötzlich.
    Das war mir zuviel.
    »Schweinehund!« brüllte ich zurück. »Anna Andrejewna, ich bin Ihr Beschützer.«
    Das Weitere werde und kann ich nicht in allen Einzelheiten beschreiben. Es kam zu einer schrecklichen und ordinären Szene, und es war, als hätte ich plötzlich den Verstand verloren. Ich glaube, ich bin auf ihn losgegangen und habe ihm einen Schlag versetzt, jedenfalls einen starken Stoß. Er schlug mich mit aller Kraft zurück, auf den Kopf, so daß ich zu Boden stürzte. Sobald ich wieder zu mir kam, rannte ich ihnen ins Treppenhaus nach; ich weiß noch, daß ich Nasenbluten hatte. Vor der Haustür wartete eine Kutsche auf sie, und während der Fürst in den Wagen gehoben wurde, rannte ich hinzu und stürzte mich abermals auf Bjoring, ungeachtet des mich zurückdrängenden Lakaien. Plötzlich war Polizei da, ich weiß nicht mehr, woher. Bjoring packte mich am Kragen und befahl dem Schutzmann mit drohender Stimme, mich auf das Revier zu bringen. Ich schrie, daß auch er mitkommen müsse, damit wir beide ins Protokoll kämen, und daß man mich nicht abführen dürfe, beinahe aus meiner eigenen Wohnung. Aber da das Ganze sich auf der Straße und nicht in der Wohnung abspielte, da ich lauthals brüllte, schimpfte und wie ein Betrunkener um mich schlug, und da Bjoring in voller Uniform war, nahm mich der Schutzmann doch fest. Darauf geriet ich endgültig aus der Fassung, setzte mich aus allen Kräften zur Wehr und schlug, glaube ich, auch auf den Schutzmann ein. Dann, ich weiß noch, waren sie plötzlich zu zweit und führten mich ab. Ich weiß kaum noch, daß sie mich in ein stickiges, verrauchtes Zimmer brachten, voll von einer Menge verschiedener Leute, herumstehender und herumsitzender Wartender und Schreibender; auch hier schrie ich weiter, ich verlangte ein Protokoll. Aber inzwischen ging es nicht allein um ein Protokoll, sondern auch um Randalieren und Widerstand gegen die Polizeigewalt. Und ich sah inzwischen auch ziemlich derangiert aus. Plötzlich fuhr mich jemand drohend an. Der

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