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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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hierhergebracht.«
    »Na ja, und eben davon haben Sie geträumt.«
    »Das tut nichts zur Sache; und stell dir vor, dieser alte Mann hat mir immer mit dem Finger gedroht. Wo ist denn Anna Andrejewna?«
    »Sie ist gleich wieder da.«
    »Woher kommt sie? Ist sie denn auch verreist?« rief er ganz unglücklich.
    »Nein, nein, sie wird gleich wieder da sein, sie hat mich gebeten, solange bei Ihnen zu bleiben.«
    »Oui, bei mir. Also, unser Andrej Petrowitsch ist übergeschnappt; › so unversehens und so behende !‹ Ich habe ihm immer prophezeit, daß es mit ihm ein solches Ende nehmen würde. Mein Freund, warte …«
    Plötzlich packte er mich mit der Hand am Rock und zog mich näher zu sich.
    »Der Hausherr hat mir vorhin«, flüsterte er, »plötzlich Photographien gebracht, gräßliche Photographien von Frauen, lauter nackte Frauen in verschiedenen orientalischen Posen, und fing plötzlich an, sie mir durch ein Glas zu zeigen … Und weißt du, ich habe sie wider besseres Gewissen gelobt, aber genau solche ekelhaften Weiber haben sie doch diesem Unglücklichen vorgeführt, um ihn dann um so bequemer betrunken zu machen …«
    »Bei Ihnen spukt immer noch der von Sohn herum, aber lassen Sie es gut sein, Fürst! Der Hausherr ist ein Dummkopf und sonst nichts!«
    » C’est mon opinion ! Mein Freund, wenn du kannst, so rette mich und bring mich fort von hier!«
    Plötzlich faltete er vor mir flehentlich die Hände.
    »Fürst, ich tue für Sie alles, was ich kann! Ich bin ganz der Ihre … Lieber Fürst, haben Sie Geduld, und ich werde vielleicht alles zum Guten wenden!«
    »N’est-ce pas? Wir werden auf einmal ausreißen und den Koffer zum Schein stehenlassen, damit er denkt, wir würden zurückkommen.«
    »Wohin wollen wir ausreißen? Und Anna Andrejewna?«
    »Nein, nein, zusammen mit Anna Andrejewna … Oh, mon cher, in meinem Kopf ist ein einziges Durcheinander … Paß auf: Dort, im Reisesack, rechts, ist Katjas Porträt; ich habe es vorhin heimlich eingesteckt, damit es Anna Andrejewna und besonders dieser Nastassja Jegorowna nicht auffällt; hol es heraus, um Gottes willen, schnell, sei vorsichtig, achte darauf, daß wir nicht ertappt werden … Kann man nicht den Haken an der Tür vorlegen?«
    Tatsächlich, ich fand in dem Reisesack eine Photographie im ovalen Rahmen, das Porträt Katerina Nikolajewnas. Er nahm es in die Hand, hielt es ans Licht, und Tränen rannen plötzlich über seine gelben, hageren Wangen.
    » C’est un ange, c’est un ange du ciel !« rief er aus. »Das ganze Leben habe ich mich ihr gegenüber schuldig gemacht … und nun, jetzt! Cher enfant, ich glaube nichts, nichts glaube ich! Mein Freund, sage mir: Kann man sich vorstellen, daß man mich in eine Irrenanstalt sperren will? Je dis des choses charmantes et tout le monde rit  … und plötzlich soll gerade ein solcher Mensch – in die Irrenanstalt gebracht werden?«
    »Niemals wollte man das!« rief ich aus. »Das ist ein Irrtum. Ich kenne ihre Gefühle!«
    »Auch du kennst ihre Gefühle? Das ist ja wunderbar! Mein Freund, du hast mich wieder zum Leben erweckt. Aber was haben sie mir alles von dir erzählt? Mein Freund, laß Katja hierherkommen, die beiden sollen sich vor meinen Augen einen Kuß geben, und ich werde sie beide nach Hause bringen, und den Hausherrn jagen wir zum Teufel!«
    Er erhob sich, faltete vor mir die Hände und kniete plötzlich vor mir nieder.
    »Cher«, flüsterte er in einer inzwischen irren Angst, zitternd wie Espenlaub, »mein Freund, sage mir die Wahrheit: Wohin will man mich jetzt bringen?«
    »Oh, Gott!« rief ich, indem ich ihn aufhob und auf das Bett setzte. »Jetzt sind Sie soweit, daß Sie auch mir nicht mehr vertrauen; denken Sie etwa, ich gehöre zu einem Komplott? Aber ich werde doch keinem erlauben, Ihnen auch nur ein Haar zu krümmen!«
    »C’est ça, erlaube es nicht«, lallte er, indem er mich mit beiden Händen, immer noch zitternd, an den Ellbogen packte, »laß niemand an mich heran! Und belüge mich niemals … Will man mich denn wirklich von hier fortbringen? Hör mal, dieser Hausherr, Ippolit oder wie er auch weiter heißt, er … ist doch kein Doktor?«
    »Wieso ein Doktor?«
    »Ist das … ist das kein Irrenhaus, hier, in diesem Zimmer?«
    Aber in diesem Augenblick öffnete sich plötzlich die Tür, und es erschien Anna Andrejewna. Vermutlich hatte sie hinter der Tür gelauscht und in ihrer Ungeduld die Tür viel zu energisch geöffnet, so daß der Fürst, der bei dem

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