Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
leisesten Geräusch zusammenfuhr, sich aufschreiend mit dem Gesicht auf das Kissen warf. Er bekam endlich eine Art Anfall, der sich in heftigem Schluchzen entlud.
»Hier – die Folgen Ihres Treibens«, fuhr ich sie an und deutete auf den alten Mann.
»Nein, das sind die Folgen Ihres Treibens«, konterte sie scharf. »Ich wende mich zum letzten Mal an Sie, Arkadij Makarowitsch – sind Sie bereit, eine höllische Intrige gegen einen schutzlosen alten Mann zu vereiteln und Ihre ›rasenden und kindischen Liebesträume‹ zu opfern, um Ihre leibliche Schwester zu retten?«
»Ich werde sie alle retten, aber nur so, wie ich es Ihnen vorhin gesagt habe! Ich eile wieder davon; vielleicht ist in einer Stunde Katerina Nikolajewna persönlich hier anwesend. Ich werde alle versöhnen, und alle werden glücklich sein!« rief ich, fast in einer Art Inspiration.
»Bringe sie, bringe sie hierher!« Der Fürst belebte sich. »Führt mich zu ihr! Ich will zu Katja, ich will Katja sehen und sie segnen!« rief er mit erhobenen Armen und machte Anstalten, sich vom Bett zu erheben.
»Sehen Sie«, sagte ich zu Anna Andrejewna und deutete auf ihn, »hören Sie, was er sagt: Jetzt wird Ihnen kein einziges ›Dokument‹ mehr helfen.«
»Ich sehe, aber es könnte noch mein Verhalten in den Augen der Welt rechtfertigen, denn jetzt bin ich mit Schmach und Schande bedeckt! Genug; mein Gewissen ist rein. Ich bin von allen verlassen, sogar von meinem eigenen Bruder, der sich von dem Mißerfolg abschrecken ließ … Aber ich werde meine Pflicht erfüllen und an der Seite dieses Unglücklichen bleiben, als seine Wärterin und Krankenpflegerin!«
Aber es war keine Zeit mehr zu verlieren, ich stürzte aus dem Zimmer.
»Ich komme in einer Stunde zurück und werde nicht allein zurückkommen!« rief ich, schon auf der Schwelle.
Zwölftes Kapitel
I
Endlich traf ich Tatjana Pawlowna zu Hause an. In einem Atemzug unterbreitete ich ihr alles – alles über das Dokument und haargenau alles über die augenblickliche Stimmung in unserer Wohnung. Obwohl sie selbst über all diese Ereignisse durchaus unterrichtet war und höchstens ein paar Worte gebraucht hätte, um einen Überblick zu gewinnen, kosteten uns meine Ausführungen, glaube ich, an die zehn Minuten. Ich habe allein gesprochen, ich habe die ganze Wahrheit gesagt und brauchte mich nicht zu schämen. Schweigend und unbeweglich, gerade wie eine Stricknadel, saß sie auf ihrem Stuhl, die Lippen geschürzt, ohne mich aus den Augen zu lassen, ganz Ohr. Aber als ich am Ende angelangt war, sprang sie plötzlich auf, so stürmisch, daß auch ich aufspringen mußte.
»Ach, du Grünschnabel! Also wurde dieser Brief tatsächlich bei dir eingenäht? Und eingenäht hat ihn Marja Iwanowna, diese dumme Kuh! Ach, ihr schändlichen Unholde! Dann bist du also mit der Absicht hergefahren, Herzen zu erobern, der höheren Gesellschaft Mores beizubringen und dich an dem Teufel Iwanowitsch zu rächen, daß du ein Bastard bist!«
»Tatjana Pawlowna, unterstehen Sie sich zu schimpfen! Vielleicht sind gerade Sie mit Ihrer ewigen Nörgelei von Anfang an die Ursache meiner hiesigen Verbiesterung gewesen. Stimmt. Ich bin ein Bastard, und vielleicht wollte ich mich tatsächlich dafür rächen, daß ich unehelich geboren bin, und vielleicht tatsächlich an einem Teufel Iwanowitsch, weil selbst der Teufel persönlich in diesem Fall keinen Schuldigen finden würde; aber bedenken Sie, daß ich mit den Schurken keine gemeinsame Sache machen wollte und meine Leidenschaften besiegt habe! Ich werde das Dokument schweigend vor sie hinlegen und mich entfernen, ohne auch nur auf ein einziges Wort von ihr zu warten; Sie sollen selbst Zeuge sein!«
»Los, los, gib den Brief her! Auf der Stelle! Leg den Brief sofort hier auf den Tisch! Aber vielleicht lügst du?«
»Er ist in meine Tasche eingenäht, Marja Iwanowna hat ihn eigenhändig eingenäht; und hier, als ich den neuen Rock bekam, habe ich ihn aus dem alten herausgetrennt und selbst in diesen neuen eingenäht . Hier ist er. Tasten Sie! Ich lüge nicht!«
»Gib ihn her! Hol ihn raus!« polterte Tatjana Pawlowna.
»Um keinen Preis der Welt, ich wiederhole es; ich habe es Ihnen ja schon gesagt; ich werde ihn in Ihrer Gegenwart vor sie hinlegen und verschwinden, ohne auch nur auf ein einziges Wort zu warten; aber es ist erforderlich, daß sie es weiß und mit eigenen Augen sieht, daß ich, ich ihn ihr übergebe, aus freien Stücken, ohne Nötigung und ohne
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