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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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die mir kolportiert wurden. Aber es dauerte sonderbarerweise nicht lange, bis er alle Sympathien verlor. Der General fürchtete sich sogar vor ihm; auffällig war, daß Kraft nicht den leisesten Einwand gegen das Gerücht erhob, Werssilow wäre es gelungen, im Kopf von Katerina Nikolajewnas krankem Gatten den Verdacht zu wecken, seiner Gattin wäre der junge Fürst Sokolskij (der sich gerade von Ems nach Paris begeben hatte) nicht ganz gleichgültig geblieben. Das gelang ihm nicht auf direktem Wege, sondern »auf seine gewohnte Art«, durch Andeutungen, Zweideutigkeiten und Umschreibungen, »worauf er sich meisterlich verstand«, nach Krafts Worten. Im allgemeinen hielt ihn Kraft eher für einen Schelm und geborenen Intriganten als für einen Menschen, der wirklich von etwas Höherem durchdrungen oder wenigstens originell war. Ich wußte schon vor dem Gespräch mit Kraft, daß Werssilows Einfluß auf Katerina Nikolajewna anfangs sehr groß gewesen war, nach und nach aber abgenommen und schließlich mit einem offenen Bruch geendet hatte. Was eigentlich hinter diesem Spiel gesteckt hatte, konnte ich auch von Kraft trotz aller Mühe nicht erfahren, aber der gegenseitige Haß, der zwischen den beiden nach ihrer Freundschaft ausgebrochen war, wurde von allen bestätigt. Dann aber geschah etwas Seltsames: Die kränkelnde Stieftochter Katerina Nikolajewnas hatte sich offensichtlich in Werssilow verliebt, ob nun durch seine Erscheinung überwältigt, durch seine Reden entflammt oder aus einem mir unbekannten Grunde; man weiß jedoch, daß Werssilow eine Zeitlang fast Tag für Tag an der Seite dieses jungen Mädchens verbracht hatte. Es endete damit, daß das Fräulein plötzlich ihrem Vater erklärte, es wünsche Werssilow zu heiraten. Daß dies wirklich geschehen war, wird von allen bestätigt – sowohl von Kraft als auch von Andronikow und Marja Iwanowna, sogar von Tatjana Pawlowna, die sich einmal in meiner Gegenwart verplappert hatte. Es wurde ebenfalls behauptet, daß Werssilow die Ehe mit dem jungen Mädchen nicht nur selbst gewünscht, sondern darauf bestanden hätte und daß das Einvernehmen dieser beiden ungleichen Wesen, eines alten und eines blutjungen, ungetrübt gewesen wäre. Der Vater aber war von dieser Idee entsetzt; je deutlicher die Entfremdung zwischen ihm und Katerina Nikolajewna wurde, desto mehr wuchs die Neigung zu seiner Tochter, die er besonders seit seinem Schlaganfall fast vergötterte. Aber die erbittertste Gegnerin dieser Ehe war Katerina Nikolajewna selbst. Es kam zu außerordentlich vielen heimlichen, außerordentlich peinlichen Auseinandersetzungen, Streitigkeiten, Beleidigungen, kurz, zu allerlei Ekelhaftem. Schließlich wankte angesichts der Hartnäckigkeit der verliebten und von Werssilow »fanatisierten« (ein Ausdruck von Kraft) Tochter der Widerstand des Vaters. Aber Katerina Nikolajewna verharrte nach wie vor in unerbittlichem Haß. Und gerade hier beginnt die Verwirrung, in der sich kein Mensch zurechtfindet. Es gibt jedoch aufgrund der Tatsache eine Vermutung Krafts, wenn auch nur eine Vermutung.
    Werssilow soll es gelungen sein, auf seine Art, subtil und unwiderlegbar der jungen Person einzureden, daß Katerina Nikolajewna deswegen ihre Zustimmung verweigere, weil sie selbst in ihn verliebt sei und ihn schon seit geraumer Zeit mit ihrer Eifersucht quäle, ihn verfolge, intrigiere, sich ihm schon erklärt habe und nun bereit sei, ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen, da er eine andere liebe – kurz, etwas dieser Art. Das Üble daran war, daß er angeblich dem Vater, dem Gatten der »ungetreuen« Frau, einige »Anspielungen« gemacht und erklärt hatte, daß der Fürst ihr nur zum Zeitvertreib gedient hätte. Selbstverständlich brach in der Familie eine wahre Hölle los. Nach anderen Varianten soll Katerina Nikolajewna ihre Stieftochter abgöttisch geliebt haben und, jetzt bei ihr verleumdet, von den Beziehungen zu ihrem kranken Mann ganz zu schweigen, völlig verzweifelt gewesen sein. Nicht genug damit, es muß noch eine weitere Variante existieren, die Kraft zu meinem Bedauern für uneingeschränkt zutreffend hielt, die aber auch mir vertrauenswürdig vorkam (ich hatte davon schon gehört). Man behauptete (Andronikow soll dies von Katerina Nikolajewna persönlich gehört haben), daß Werssilow schon früher, das heißt, noch bevor die Gefühle des jungen Mädchens erwacht wären, seine Liebe Katerina Nikolajewna angetragen hätte; daß diese, mit ihm befreundet und eine

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