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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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gewisse Zeit sogar von ihm begeistert, ihm ständig mißtraut, sogar widersprochen und seine Liebeserklärung geradezu mit Haß und giftigem Spott quittiert hätte. Sie hätte ihn sogar in aller Form vor die Tür gesetzt, weil er ihr unumwunden einen Heiratsantrag gemacht hätte, da der bevorstehende zweite Schlaganfall ihres Mannes in nächster Zukunft zu erwarten gewesen wäre. Katerina Nikolajewnas Haß auf Werssilow muß wohl extrem zugenommen haben, als sie bald darauf sah, daß er sich ungeniert um die Hand ihrer Stieftochter bemühte. Marja Iwanowna, die mir all das in Moskau erzählte, glaubte an beide Varianten, das heißt an alles zugleich: Sie war es nämlich, die behauptete, daß sich all das gleichzeitig hätte ereignen können, daß es sich um eine Art von » haine dans l’amour « gehandelt hätte, gekränkten Liebesstolz auf beiden Seiten usw. usf., kurz, um eine Art feingesponnene Verwicklung, eines ernsthaften und vernünftig denkenden Menschen nicht würdig und noch dazu nicht ohne Gemeinheit. Aber Marja Iwanowna war selbst seit Kindertagen mit Romanen gespickt und las sie immer noch Tag und Nacht, wiewohl sie einen wunderbaren Charakter hatte. Unter dem Strich blieb Werssilows offensichtliche Gemeinheit, es blieben die Lüge und Intrige, Dunkles und Abstoßendes, zumal das Ende wirklich tragisch war: Das arme, in Begeisterung entbrannte junge Mädchen soll sich mit Phosphorzündhölzern vergiftet haben; übrigens weiß ich auch heute noch nicht, ob dieses letzte Gerücht zutreffend ist; jedenfalls hatte man sich mit allen Kräften bemüht, es zum Schweigen zu bringen. Die Krankheit des jungen Mädchens dauerte nur zwei Wochen, dann starb es. Die Streichhölzer blieben gewissermaßen im Bereich des Zweifels, aber Kraft glaubte fest daran. Bald darauf starb auch der Vater des jungen Mädchens, aus Kummer, wie es heißt, der den zweiten Schlaganfall begünstigt hätte, allerdings erst drei Monate später. Aber nach der Beisetzung des jungen Mädchens versetzte der junge Fürst Sokolskij, der aus Paris nach Ems zurückgekehrt war, Werssilow eine Ohrfeige, öffentlich, im Park, und dieser antwortete nicht mit einer Forderung; im Gegenteil, am nächsten Tag erschien er auf der Promenade, als wäre nichts gewesen. Da ließen ihn alle fallen, in Petersburg ebenso. Werssilow unterhielt weiterhin noch einige Bekanntschaften, aber in einem völlig anderen Gesellschaftskreis. In der großen Welt wurde er allgemein verurteilt, obwohl nur wenige über alle Details unterrichtet waren; man wußte nur Ungefähres über den Tod der jungen Person und über die Ohrfeige: Erschöpfende Kenntnisse besaßen höchstens zwei, drei Personen; am meisten wußte der verstorbene Andronikow, der schon lange geschäftliche Beziehungen mit den Achmakows unterhielt, insbesondere mit Katerina Nikolajewna in einem ganz speziellen Fall. Aber er hütete alle diese Geheimnisse sogar vor seiner Familie und weihte nur Kraft und Marja Iwanowna in einiges ein, aber auch nur der Notwendigkeit gehorchend.
    »Vor allem geht es um ein spezielles Dokument«, sagte Kraft abschließend, »das Frau Achmakowa außerordentlich fürchtete.«
    Und dann unterrichtete er mich über folgendes.
    Katerina Nikolajewna hatte die Unvorsichtigkeit begangen, Andronikow streng vertraulich (Katerina Nikolajewna vertraute ihm blind) einen äußerst kompromittierenden Brief zu schreiben, während der alte Fürst, ihr Vater, sich im Ausland von den Folgen seiner Attacke erholte. Damals soll der Genesende tatsächlich eine besondere Neigung an den Tag gelegt haben, nämlich Geld zu verschleudern und es mit beiden Händen geradezu zum Fenster hinauszuwerfen. Plötzlich kaufte er im Ausland völlig überflüssige, aber sehr kostspielige Dinge, Bilder und Vasen; verschenkte und spendete bei Gott weiß welchen Anlässen größere Summen, sogar an verschiedene lokale Einrichtungen; von einem russischen Lebemann aus der besten Gesellschaft hätte er um ein Haar für eine Unsumme ein heruntergewirtschaftetes und nach Prozessen belastetes Gut gekauft, ohne es jemals in Augenschein genommen zu haben, und endlich soll er angefangen haben, tatsächlich von einer neuen Heirat zu träumen. Und da, angesichts dieser Entwicklung, wandte sich Katerina Nikolajewna, die ihren Vater während seiner Krankheit treu gepflegt hatte, an Andronikow, den Anwalt und »alten Freund«, mit der Frage: »Ist es gesetzlich möglich, den Fürsten unter Vormundschaft zu stellen und für

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