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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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diesem Zimmer.«
    »Ist das so?« fragte ich und sah ihn aufmerksam an.
    »Wenn Sie selbst in diesem Fall nicht darauf kommen, wie Sie handeln sollen, wie kann ich Ihnen etwas raten?«
    »Aber ich kann ihn ebensowenig dem Fürsten Sokolskij aushändigen: Ich würde sämtliche Hoffnungen Werssilows zunichte machen und außerdem als Verräter vor ihm dastehen … Andererseits würde ich, falls ich den Brief Werssilow aushändigte, Unschuldige in Armut stürzen, Werssilow aber in eine verhängnisvolle Lage bringen: entweder auf das Erbe verzichten oder einen Diebstahl begehen.«
    »Sie übertreiben die Bedeutung des Dokuments maßlos.«
    »Sagen Sie nur das eine: Kommt diesem Dokument eine entscheidende, endgültige Bedeutung zu?«
    »Nein, das tut es nicht. Ich bin ein bescheidener Jurist. Der Anwalt der gegnerischen Partei würde selbstverständlich den Wert dieses Dokuments ausschöpfen und jeden möglichen Nutzen daraus ziehen; Alexej Nikanorowitsch dagegen vertrat definitiv die Ansicht, daß diesem Brief, sollte er dem Gericht vorgelegt werden, keine wesentliche juristische Bedeutung beigemessen würde, so daß Werssilow seinen Prozeß trotz allem gewinnen könnte. Dieses Dokument setzt eine, sozusagen, Gewissensentscheidung voraus …«
    »Das ist ja gerade das Wichtigste!« fiel ich ihm ins Wort, »das ist es ja gerade, was Werssilow in eine aussichtslose Lage bringen würde.«
    »Er könnte jedoch das Dokument vernichten und dann, ganz im Gegenteil, jede Gefahr für sich ausschließen.«
    »Haben Sie einen besonderen Grund, ihm so etwas zuzumuten, Kraft? Das ist es ja gerade, was ich wissen will: Deshalb komme ich ja zu Ihnen!«
    »Ich denke, daß jedermann an seiner Stelle so handeln würde.«
    »Und Sie selbst, würden Sie das auch tun?«
    »Ich erwarte kein Erbe und kann daher nicht wissen, was ich tun würde.«
    »Also gut«, sagte ich und steckte den Brief in die Tasche. »Dieses Problem ist einstweilen erledigt. Hören Sie, Kraft. Marja Iwanowna, die mir, das können Sie mir glauben, manches anvertraut hat, hat einmal gesagt, daß ich von Ihnen, und zwar von Ihnen als einzigem, die Wahrheit über die Geschehnisse in Ems erfahren könnte, vor anderthalb Jahren, zwischen Werssilow und den Achmakows. Ich habe auf Sie gewartet wie auf die Sonne, die für mich alles ans Licht bringen wird. Sie haben von meiner Lage keine Ahnung, Kraft. Ich flehe Sie an, mir die ganze Wahrheit zu sagen. Ich muß einfach wissen, was er für ein Mensch ist. Jetzt aber – jetzt aber noch dringender als je!«
    »Ich wundere mich, daß Marja Iwanowna Ihnen nicht selbst alles weitererzählt hat; sie konnte alles von dem verstorbenen Andronikow hören, hat es selbstverständlich gehört und weiß vielleicht mehr als ich.«
    »Andronikow selbst fand sich in dieser Geschichte nicht zurecht, sagt Marja Iwanowna. In dieser Geschichte kann sich wohl niemand zurechtfinden, da bricht sich selbst der Teufel ein Bein! Ich weiß doch, daß Sie sich damals in Ems aufgehalten haben …«
    »Erst später, und ich habe nicht das Ganze miterlebt. Aber was ich weiß, will ich Ihnen gern erzählen; aber ob ich Sie zufriedenstellen kann?«
    II
    Ich verzichte auf eine wortgetreue Nacherzählung und beschränke mich nur auf das Wesentliche.
    Vor anderthalb Jahren hatte Werssilow, den der alte Fürst Sokolskij in das Haus Achmakow eingeführt hatte (man befand sich damals im Ausland, in Ems), einen starken Eindruck gemacht, zunächst auf Achmakow selbst, General und ein Mann noch in den besten Jahren, der aber die reiche Mitgift seiner Gattin Katerina Nikolajewna in drei Ehejahren beim Kartenspiel verloren und infolge seines ausschweifenden Lebens bereits einen Schlaganfall erlitten hatte. Wieder genesen, erholte er sich nun im Ausland, und Bad Ems hatte er seiner Tochter aus erster Ehe zuliebe aufgesucht, ein kränkliches junges Mädchen von etwa siebzehn Jahren, das schwach auf der Brust und von außerordentlicher Schönheit, zugleich aber auch äußerst kapriziös war. Von einer Mitgift war nicht die Rede; man hoffte, wie gewöhnlich, auf den alten Fürsten. Katerina Nikolajewna soll eine gütige Stiefmutter gewesen sein. Das junge Mädchen aber faßte aus irgendeinem Grunde eine ganz besondere Zuneigung zu Werssilow. Er predigte damals »irgend etwas Leidenschaftliches«, wie Kraft sich ausdrückte, ein neues Leben, »schwebte in einer religiösen Stimmung im allerhöchsten Sinne« – nach Andronikows eigentümlichen, leicht spöttischen Worten,

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