Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
verhalten würde, noch mehr, ich bin überzeugt, daß Tausende von Talenten und Neunmalklugen, von ihrem eigenen Wert überzeugt, unter der Last von Rothschildschen Millionen zusammenbrechen, nicht standhalten, nach dem Muster der vulgären Mediokrität handeln und den schlimmsten Druck ausüben würden. Meine Idee ist das nicht. Das Geld fürchte ich nicht; es wird auf mich ebensowenig Druck ausüben, wie es mich auch zwingen könnte, auf andere Druck auszuüben.
    Ich brauche nicht das Geld, oder, besser gesagt, es ist nicht das Geld, das ich brauche; und nicht einmal die Macht; ich brauche nur das, was durch Macht erworben und was ohne Macht um keinen Preis erworben werden kann: das einsame und ruhige Bewußtsein der Macht! Das ist die umfassendste Bestimmung der Freiheit, um die sich die Welt so sehr plagt! Freiheit! Endlich habe ich dieses große Wort niedergeschrieben … Ja, das einsame Bewußtsein der Stärke ist berauschend und wunderbar. Ich bin stark, und ich bin ruhig. Die Donner liegen in Jupiters Hand, und was weiter: Er ist ruhig; hört man ihn etwa häufig donnern? Ein Narr glaubt, daß er schläft. Aber man setze nur an Jupiters Stelle einen Literaten oder ein törichtes Bauernweib, und schon würde es donnern und donnern, ohne Unterlaß!
    Habe ich erst einmal Macht, sinnierte ich, werde ich sie überhaupt nicht gebrauchen; ich versichere, daß ich von selbst, aus eigenem Willen, mich überall mit dem letzten Platz begnügen werde. Bin ich erst ein Rothschild, werde ich in einem abgetragenen Paletot und mit Regenschirm herumlaufen. Was kümmert es mich, daß man mich auf der Straße anrempelt, daß ich gezwungen werde, im Kot hüpfend die Straße zu überqueren, um von den Droschkenkutschern nicht überfahren zu werden. Das Bewußtsein, daß ich ein Rothschild bin, würde mich in solchen Minuten sogar erheitern. Ich weiß, daß ich speisen könnte wie sonst kein anderer, daß ich den besten Koch der Welt beschäftigte, und es würde mir genügen, daß ich es weiß. Ich werde ein Stück Brot und Schinken verzehren, und dieses Bewußtsein wird mich sättigen. Ich denke sogar heute noch so.
    Nicht ich werde bei der Aristokratie antichambrieren, sie wird mich belagern, nicht ich werde den Frauen nachlaufen, sie werden um mich wogen wie die Flut und mir alles anbieten, was eine Frau anzubieten hat. Die »Trivialen« kommen gerannt, um Geld zu borgen, die Gescheiten aus Neugierde für dieses sonderbare, stolze, verschlossene und völlig gleichgültige Wesen. Ich werde mit den einen wie mit den anderen freundlich sein und ihnen vielleicht auch Geld borgen, aber nichts von ihnen nehmen. Die Neugierde erzeugt Leidenschaft, vielleicht werde ich Leidenschaft wecken. Sie gehen unverrichteter Dinge davon, das versichere ich Ihnen, höchstens mit Geschenken. Ich werde für sie doppelt interessant sein.
    … mir genügt
    schon dies Bewußtsein.
    Es ist sonderbar, daß dieses kurze (übrigens wahre) Bild mich schon mit siebzehn Jahren faszinierte.
    Ich möchte keine Gewalt ausüben und niemand quälen; aber ich weiß, daß mich, wenn ich wünschen würde, einen Menschen, meinen Feind, zu vernichten, niemand daran hindert, sondern alle mir willfahren; und das wird mir auch reichen. Ich würde mich sogar niemals rächen. Ich habe mich stets gewundert, wie James Rothschild einwilligen konnte, Baron zu werden. Weshalb, warum, da er ohnedies höher steht als alle anderen auf dieser Welt? »Mag doch dieser unverschämte General auf der Poststation, wo wir beide auf die Pferde warten, mich beleidigen; wüßte er, wer ich bin, würde er höchstpersönlich einspannen und wäre zur Stelle, um mir beim Einsteigen in mein bescheidenes Gefährt zu helfen! Man hat in der Zeitung geschrieben, daß ein ausländischer Graf oder Baron auf einer Wiener Eisenbahnlinie einem dortigen Bankier vor versammeltem Publikum in die Pantoffeln geholfen habe, dieser aber ordinär genug gewesen sei, es sich gefallen zu lassen. O mag, mag doch diese unheimliche Schöne (eben eine unheimliche, es gibt solche!) – die Tochter jener prachtvollen und hochangesehenen Aristokratin, bei einer zufälligen Begegnung auf einem Dampfer oder sonst irgendwo, mich aus dem Augenwinkel beobachten, die Nase rümpfen und sich verächtlich wundern, wie es diesem bescheidenen und unansehnlichen Menschen, mit Buch oder Zeitung in der Hand, gelungen sein mochte, auf den ersten Platz, unmittelbar an ihre Seite zu gelangen. Aber, wenn sie wüßte, wer neben ihr sitzt!

Weitere Kostenlose Bücher