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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Schön und gut, aber meine Prämie ist mir allein schon dadurch sicherer, weil ich sie in der Tasche habe, der erhoffte Gewinn aber noch hoch in den Lüften schwebt. Man wird einwenden, daß man auf diese Weise niemals ein großes Geschäft machen könnte; pardon, aber hier irren Sie, und genauso irrten alle unsere Kokorews, Poljakows, Gubonins . Unbestritten ist: Ausdauer und Beharrlichkeit im Erwerb und vor allem steter Kapitalzuwachs sind effektiver als momentane Gewinne, selbst hundertprozentige!
    Nicht lange vor der Französischen Revolution tauchte in Paris ein gewisser Low auf mit einem im Prinzip genialen Projekt (das freilich im weiteren Verlauf grauenhaft platzte). Ganz Paris geriet in Aufregung; Lows Aktien fanden reißenden Absatz, der Andrang war mörderisch. In dem Haus, in dem die Subskriptionslisten auslagen, regnete das Geld von ganz Paris wie aus einem offenen Sack; aber schließlich wurde auch das Haus zu eng, das Publikum füllte die ganze Straße – Menschen aller Stände, aller Berufe, aller Lebensalter; Bourgeois, Adlige, ihr Nachwuchs, Gräfinnen, Marquisen, Dirnen – das alles ballte sich zu einer tobenden, halb wahnsinnigen, wie von einem tollwütigen Hund gebissenen Masse zusammen; Ränge, Standesallüren, sogar Ehre und guter Name – alles wurde im Kot mit Füßen getreten; kein Opfer war zu hoch (nicht einmal für die Damen), um einiger Aktien habhaft zu werden. Schließlich mußte die Subskription auf offener Straße stattfinden, aber dort gab es keine Gelegenheit zum Schreiben. Da machte man einem Buckligen den Vorschlag, für eine gewisse Zeit seinen Buckel als Tisch zur Verfügung zu stellen, um darauf die Unterschrift zu leisten. Der Bucklige willigte ein – man kann sich vorstellen, um welchen Preis! Einige Zeit (eine sehr kurze Zeit) später kam es zum Bankrott, alles platzte, die ganze Idee ging zum Teufel, und die Aktien verloren jeden Wert. Wer hatte gewonnen? Einzig und allein der Bucklige, nämlich deswegen, weil er nicht Aktien, sondern Louisdors in bar verlangt hatte. Und ich bin eben dieser Bucklige! Habe ich es doch fertiggebracht, nicht zu essen und Kopeke um Kopeke zweiundsiebzig Rubel zusammenzusparen? Ich werde es also ebenfalls fertigbringen, mitten im Strudel eines sich aller bemächtigenden Fiebers zu widerstehen und ein sicheres Geld dem großen vorzuziehen. Kleinlich bin ich nur in Kleinigkeiten; im Großen bin ich es nicht. Für Geduld im Kleinen hat mein Charakter nicht immer ausgereicht, nicht einmal nach dem Entstehen der »Idee«, aber im Großen wird er immer ausreichen. Wenn meine Mutter mir in der Frühe, bevor ich zum Dienst gehen mußte, den abgestandenen Kaffee vorsetzte, wurde ich ärgerlich und grob, während ich doch derselbe Mensch war, der einen ganzen Monat nur von Wasser und Brot gelebt hatte.
    Mit einem Wort: Es wäre unnatürlich, nicht zu Geld zu kommen, nicht zu lernen, wie man zu Geld kommt. Ebenso unnatürlich wäre es, bei stetem und gleichmäßigem Kapitalzuwachs, bei steter Wachheit und Nüchternheit des Denkens, bei Enthaltsamkeit und Sparsamkeit, bei ständig wachsender Energie, ich wiederhole, es wäre unnatürlich, nicht Millionär zu werden. Wodurch ist der Bettler zu seinem Geld gekommen, wenn nicht durch fanatischen Charakter und Beharrlichkeit? Bin ich etwa weniger als der Bettler? “Und schließlich, mag ich auch nichts erreichen, mag meine Berechnung fehlerhaft sein, mag ich platzen, das ist mir egal – ich gehe auf ein Ziel zu. Ich gehe, weil ich es will.” Das habe ich mir schon in Moskau immer gesagt.
    Man wird mir einwenden, daß hier von einer »Idee« nicht die Rede sein und von etwas Neuem nicht die Spur entdeckt werden könnte. Ich aber werde, und diesmal zum letzten Mal, behaupten, daß hier unendlich viel von der Idee und ungezählt viel Neues sei.
    Oh, ich habe ja geahnt, daß alle Einwände trivial sein würden und daß ich beim Darstellen der »Idee« ebenso trivial erscheinen würde: Habe ich mich denn überhaupt zur Sache geäußert? Nicht einmal zum hundertsten Teil; ich fühle, daß es kleinlich, plump, oberflächlich und sogar nicht einmal meinem Alter gemäß ausgefallen ist.
    III
    Die Fragen »Wozu?«, »Warum?« und »Moralisch oder unmoralisch?«, auf die ich eine Antwort versprochen habe, sind noch offen.
    Ich bedaure, daß ich den Leser auf Anhieb enttäuschen muß, ich bedaure, bin aber zugleich darüber amüsiert. Man nehme zur Kenntnis, daß nicht das leiseste Gefühl der »Rache« in

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