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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Wassin dennoch weniger, sogar sehr viel weniger, und führe dies dem Leser absichtlich als ein ihm schon bekanntes Beispiel an. Sogar an Kraft erinnerte ich mich verdrossen und mit einem bitteren Gefühl, weil er mir ins Vorzimmer vorausgegangen war, um mich dadurch gleichsam zu verabschieden, und dieses Gefühl blieb bis zum nächsten Tag, bis die Geschichte mit Kraft völlig geklärt und es unmöglich war, ihm irgend etwas übelzunehmen. Aber schon in den untersten Gymnasialklassen ließ ich jeden Mitschüler stehen und sprach nicht einmal mehr mit ihm, sobald er mir in einem Fach an Schlagfertigkeit oder an Körperkraft überlegen war. Nicht, daß ich ihn gehaßt oder ihm Mißerfolg gewünscht hätte; ich kehrte ihm einfach den Rücken, weil mein Charakter eben so ist.
    Jawohl, ich dürstete mein ganzes Leben nach Macht, nach Macht und Einsamkeit. Ich träumte davon sogar schon in einem Alter, in dem mir jedermann ins Gesicht gelacht hätte, wenn er ahnte, was sich unter meiner Schädeldecke abspielte. Das wurde der Grund meiner Vorliebe für das Geheimnis. Ja, ich träumte selbstvergessen und so lebhaft, daß ich für Unterhaltungen keine Zeit mehr hatte; daraus schloß man, daß ich menschenscheu sei, und aus meiner Zerstreutheit zog man noch üblere Schlüsse über meine Person, auch, wenn meine roten Backen das Gegenteil bewiesen.
    Besonders glücklich war ich im Bett, unter der hochgezogenen Decke, wenn ich nun ganz allein, in voller Einsamkeit, ohne die herumlaufenden Menschen und ohne einen einzigen Menschenlaut, beginnen konnte, das Leben umzuwandeln. Die unbändigste Träumerei führte mich bis zur Entdeckung der »Idee«, da alle Träume aus törichten sich mit einem Schlag in vernünftige verwandelten und aus der träumerischen Form eines Romans in die vernünftige der Wirklichkeit übergingen.
    Alles floß zu dem einzigen Ziel zusammen. Sie waren übrigens auch früher nicht gar so töricht gewesen, auch wenn sie unendlich verschieden, Tausende und Abertausende waren. Aber auch Lieblingsträume waren darunter. Allerdings ist jetzt nicht die Gelegenheit, sie an dieser Stelle einzeln anzuführen.
    Macht! Ich bin überzeugt, daß viele es zum Lachen gefunden hätten, wenn sie erfahren hätten, daß ausgerechnet ein solcher »Nichtsnutz« von Macht träumte. Aber ich kann ihnen noch mehr bieten: Vielleicht kann ich mir seit meinen ersten Träumen, das heißt fast seit meiner frühesten Kindheit, mich nicht anders vorstellen als auf dem ersten Platz, immer und in allen Wendungen des Lebens. Und füge das seltsame Geständnis hinzu: Vielleicht ist es bis auf den heutigen Tag so geblieben. Nebenbei sei bemerkt, daß ich keineswegs um Verzeihung bitte.
    Darin besteht ja meine »Idee«, darin besteht ja ihre Stärke, daß Geld – der einzige Weg ist, der sogar eine Null auf den ersten Platz bringt. Vielleicht bin ich gar keine Null, aber ich weiß zum Beispiel, der Spiegel zeigt es, daß mein Äußeres mir schadet, weil mein Gesicht gewöhnlich ist, aber wäre ich so reich wie Rothschild, wer würde schon nach meinem Gesicht fragen, und würden dann nicht Tausende von Frauen auf den ersten Pfiff mit ihren Schönheiten zu mir geflogen kommen? Ich bin sogar überzeugt, daß sie von sich aus, völlig aufrichtig, mich für ein Bild von Mann halten würden. Ich bin vielleicht ein kluger Kopf. Aber mag ich auch eine Stirn von sieben Spannen haben, es wird sich sofort in der Gesellschaft unbedingt ein Mann mit einer Stirn von acht Spannen finden – und ich bin verloren. Indessen, wäre ich ein Rothschild – würde dieser Neunmalkluge mit der Acht-Spannen-Stirn seine Bedeutung in meiner Gegenwart nicht verlieren? Man würde ihn nicht einmal zu Worte kommen lassen! Ich bin vielleicht scharfsinnig; jedoch an der Seite eines Talleyrand , eines Piron stehe ich im Schatten, aber als ein Rothschild – wo bleibt Piron, ja vielleicht sogar Talleyrand? Das Geld ist freilich eine despotische Macht, aber ebenso die allerhöchste Gleichheit, darin liegt seine größte Stärke. Das Geld gleicht alles Ungleiche aus. Darauf bin ich schon in Moskau gekommen.
    Sie werden in diesem Gedanken natürlich die pure Unverschämtheit sehen, die Gewalt, den Triumph der Null über die Talente. Ich gebe zu, dieser Gedanke ist verwegen (und deshalb süß). Schon gut, schon gut: Sie glauben, ich hätte damals nach Macht gestrebt, um unbedingt Gewalt auszuüben und mich zu rächen. Das stimmt, für die Mediokrität, die sich in jedem Fall so

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