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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Fahrlässigkeit mir gegenüber um so deutlicher ausdrückte. Ich hatte mich noch aus einem weiteren Grund für Petersburg entschieden, und zwar, weil ich glaubte, daß es meinem Haupttraum nicht schaden könnte. “Mal sehen, wie es wird”, überlegte ich, “in jedem Fall werde ich eine Bindung mit ihnen nur vorübergehend eingehen, vielleicht nur auf eine ganz kurze Zeit. Aber sollte ich merken, daß dieser Schritt, und sei er noch so bedingt und klein, mich von der Hauptsache abhält, werde ich alles stehen- und liegenlassen und mich in meinen Panzer zurückziehen.” Das ist es: Panzer! “Ich ziehe mich in den Panzer zurück, wie eine Schildkröte.” Dieser Vergleich gefiel mir sehr. “Ich werde künftig nicht mehr allein sein”, sinnierte ich, während ich in meinen letzten Moskauer Tagen rastlos durch die Stadt streifte, “ich werde niemals mehr allein sein wie während der vielen schrecklichen Jahre bisher: Mit mir wird immer meine Idee sein, der ich niemals untreu werde, selbst wenn sie mir dort alle sehr gut gefallen, mir Glück bringen sollten und ich mit ihnen sogar zehn Jahre lang zusammenleben könnte!” Diese Stimmung, es sei im voraus gesagt, eben dieses Zwiespältige meiner Pläne und Ziele, das sich bereits in Moskau abgezeichnet hatte und in Petersburg keinen Augenblick von mir wich (denn ich weiß nicht, ob es je einen einzigen Tag in Petersburg gegeben hat, an dem ich mir keine endgültige Frist gesetzt hätte, um mit ihnen zu brechen und zu verschwinden) – dieses Zwiespältige, sage ich, war, wie es mir heute scheint, eine der Hauptursachen, warum ich mich in diesem Jahr so oft unbedacht, ekelhaft, sogar oft gemein und, selbstverständlich, dummdreist benommen habe.
    Natürlich, plötzlich hatte ich einen Vater, den es früher niemals gab. Dieser Gedanke berauschte mich während der Reisevorbereitungen in Moskau und während der Eisenbahnfahrt. Daß er mein Vater war, das war nur halb so schlimm, auf Zärtlichkeiten legte ich keinen Wert, aber dieser Mann wollte von mir nichts wissen, er hatte mich erniedrigt, während ich im Laufe aller dieser Jahre von ihm träumte, ohne abzusetzen (wenn es erlaubt ist, diese Metapher für ein anhaltendes Träumen zu benutzen). Jeder meiner Träume seit meiner frühesten Kindheit umschwebte ihn, war ein Echo und endete zu guter Letzt bei ihm. Ich weiß nicht, ob ich ihn liebte oder haßte, aber seine Person erfüllte meine ganze Zukunft und meine gesamten Lebenspläne – das geschah ganz von selbst und begleitete mein Heranwachsen.
    Es gab auch noch einen weiteren Grund für meinen Aufbruch aus Moskau, eine übermächtige Versuchung, die bereits damals, das heißt drei Monate vor meinem Aufbruch (folglich zu einem Zeitpunkt, als von Petersburg noch gar keine Rede war), mein Herz höher schlagen ließ! Mich zog dieser unerforschte Ozean auch noch deshalb an, weil ich dort unmittelbar als Herr und Gebieter fremder Geschicke erscheinen konnte, und welcher Geschicke! Aber es waren großmütige und keineswegs despotische Gefühle, die in mir brodelten – das sei vorausgeschickt, damit meine Worte nicht mißverstanden werden. Überdies hätte Werssilow denken können (falls er sich überhaupt herabließ, an mich zu denken), es würde ein Knabe kommen, frisch von der Schulbank, ein grüner Junge, voll Staunen über die ganze Welt. Aber ich kannte sein tiefstes Geheimnis und hielt bereits ein Dokument von immenser Bedeutung in Händen, das ihm (jetzt weiß ich es sicher) Jahre seines Lebens wert gewesen wäre, wenn ich ihm damals Einblick gewährt hätte. Nun fällt mir übrigens auf, daß ich in Rätseln rede. Gefühle jedoch lassen sich ohne Fakten nicht beschreiben. Außerdem wird davon mehr als genug an der gehörigen Stelle die Rede sein, deshalb habe ich ja zur Feder gegriffen. Aber so zu schreiben – das ist ja wie im Delirium oder in einer Nebelwolke.
    VIII
    Und nun, um mit dem Neunzehnten endgültig anzufangen, will ich zunächst in wenigen Worten und gleichsam nebenbei erzählen, daß ich sie alle, das heißt Werssilow, meine Mutter und meine Schwester (letztere sah ich zum ersten Mal in meinem Leben), in einer bedrückenden Lage, beinahe völlig verarmt oder am Vorabend der völligen Verarmung antraf. Davon hatte ich bereits in Moskau gehört, aber keineswegs mit dem gerechnet, was ich nun vor Augen hatte. Seit meinen Kindertagen war ich gewohnt, diesen Mann, meinen »künftigen Vater«, fast in einer Aureole zu sehen und ihn mir nicht anders

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